Das längere Arbeitslosengeld gehört zu einem sozialpolitischen Neun-Punkte-Programm, das auf dem am Freitag beginnenden Hamburger Parteitag beschlossen werden soll. Es beinhaltet auch flexiblere Übergänge bei der Rente, strengere Vorschriften bei der Leiharbeit sowie eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 4,2 auf 3,5 Prozent.
Mit Blick auf den weiteren Reformkurs der Sozialdemokraten sagte die Parteilinke und designierte SPD-Vize Andrea Nahles, die "'Agenda 2010' bleibt die Basis, aber man muss auch verändern dürfen".
Vizekanzler Franz Müntefering habe im Vorfeld klar gesagt, wenn es eine Mehrheit im Parteivorstand gebe, akzeptiere er die Meinung Becks. Nahles erwartet, dass sich Müntefering dann auch beim SPD-Bundesparteitag am Wochenende "entsprechend verhalten" werde. Ein entsprechender Gesetzentwurf zum Arbeitslosengeld würde in Münteferings Verantwortung als Arbeitsminister fallen.
Belastung der großen Koalition?
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erwartet für die Zukunft ein schrittweises Abrücken der SPD von den Reformen der "Agenda 2010" des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD). Die SPD unter Parteichef Kurt Beck verfolge eine "Salamitaktik", sagte Rüttgers der Zeitung "Die Welt". "Nach dem Arbeitslosengeld schleifen sie die Rente ab 67, dann kommt der flächendeckende Mindestlohn, und dann das Arbeitslosengeld II", sagte er. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erklärt, die Rente ab 67 sei unverzichtbar.
Fehler aus den 80'ern nicht wiederholen
Der Vize-Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit, Peter Clever, hatte die geplante Verlängerung des Arbeitslosengeldes (ALG) für Ältere als "Rolle rückwärts" kritisiert. "Jede Verlängerung des Arbeitslosengeldes ist ein Schritt in die falsche Richtung", sagte Clever am Montag im Deutschlandfunk. Damit würde ein Fehler aus den 80ern wiederholt, als durch längere Bezugszeiten die Arbeitslosenzahlen deutlich nach oben gingen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse bei dem Thema "ordnungspolitisch führen", was bedeute, nicht an der "Agenda 2010" zu rütteln.
Die Einschätzung von SPD-Parteichef Kurt Beck, eine längere Bezugsdauer des ALG I koste rund 800 Millionen Euro, sei "eine Wunschzahl", sagte Clever. Nach Schätzung der Bundesagentur sei mit ein bis zwei Milliarden Euro, im Extremfall sogar mit bis zu 2,9 Milliarden Euro zu rechnen.
Müntefering will dennoch im Amt bleiben
SPD entscheidet sich für Beck
Der SPD-Vorstand hat am Montag einem längeren Arbeitslosengeld für Ältere zugestimmt. Nach Angaben von Teilnehmern votierte die Parteiführung in Berlin für die von SPD-Chef Kurt Beck vorgeschlagene Verlängerung. Vizekanzler Franz Müntefering lehnte die Korrektur an der "Agenda 2010" ab, der Arbeitsminister will aber im Amt bleiben.
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