In Spanien sind im Zuge der sich dramatisch schnell ausbreitenden Coronavirus-Pandemie besonders stark Menschen in Medizin- und Pflegeberufen betroffen. Bei rund 12 Prozent sämtlicher Covid-19-Infizierten handle sich mittlerweile um Ärzte, Sanitäter oder Krankenpfleger, erklärte der Leiter des spanischen Seuchennotfallzentrums, Fernando Simon, laut spanischen Medienberichten. Bisher hätten sich bereits 4.000 Ärztinnen, Ärzte, Krankenschwestern und -Pfleger mit dem Virus angesteckt.
Mit mehr als 33.000 Infizierten und etwa 2.200 Toten ist Spanien nach Italien das am heftigsten von der Epidemie befallene Land in Europa. Allein seit Sonntag starben 462 Menschen an den Folgen. 87 Prozent der Opfer waren mindestens 70 Jahre alt, so Simon.
Am Wochenende stimmte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez sein Land im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie bereits auf «sehr harte Tage» ein. «Das Schlimmste kommt noch», sagte der Regierungschef in einer Fernsehansprache.
Unterdessen mobilisiert Spanien immer mehr Ärzte im Ruhestand und Medizinstudierende für den Kampf gegen Corona. Dennoch steht das spanische Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps. Eine Gruppe von 70 renommierten spanischen Epidemiologen und Wissenschaftlern anderer Fachbereiche forderte deshalb am Wochenende bereits die «totale Isolierung der Menschen».
Die Experten empfahlen dringend, die Bewegungsfreiheit noch stärker einzuschränken, um das Gesundheitssystem zu entlasten. So solle die Regierung auch die Fahrt zur Arbeitsstelle nur noch bei Arbeitnehmern der Grundversorgungssektoren gestatten. Ansonsten werde das spanische Gesundheitssystem zur Wochenmitte komplett zusammenbrechen.
Zunächst kündigte Sanchez am Sonntag jedoch nur die Verlängerung des Alarmzustands und der Ausgangssperre bis 11. April an. Spanien habe bereits eine der drastischsten Ausgangssperren Europas. Bürger dürfen ihre Wohnung nur verlassen, um zum Supermarkt, zur Apotheke, zum Arzt oder zur Arbeit zu fahren.
Besonders schlimm ist die Lage in Madrid, wo rund 60 Prozent aller Todesopfer gezählt werden. Auf dem IFEMA-Messegelände errichtete die Regierung mit Hilfe der Armee auf 35.000 Quadratmetern bereits ein provisorisches Krankenhaus mit 5.500 Betten zur Behandlung von Coronavirus-Kranken.
24.03.2020
In Krisenzeiten wie diesen zeigen liberale Gesellschaft offenbar schnell ein anderes Gesicht. Notizen aus einem Staat im Ausnahmezustand, dessen Bürger sich schon gegenseitig überwachen.
Barcelonas Stadtpolizei wird derzeit von einer Telefonlawine der unangenehmen Art überrollt. Täglich schwärzen über 300 Anrufer ihre Mitbürger an, die offenbar die auferlegte Ausgangssperre missachten. Das Ausgehverbot gilt in Spanien noch bis mindestens zum Osterwochenende.
Lebenslust schlägt um in Frust und Missgunst
Dabei weckte Spanien lange so ganz andere Assoziationen: lockere, lebenslustige Atmosphäre, Freude an Fiestas und Lärm, ausgelassener Kneipenkultur. Jetzt, da die Normalität Kopf steht, schlägt die spanische Lebenslust mancherorts in Frust, Missgunst und Denunziationen von Nachbarn um. Oder in Häme und Beschimpfungen, wie ein Video in den Sozialen Netzwerken zeigt.
Eine Joggerin, die die Ausgangssperre missachtet hat, wird am Rand eines Parks von zwei Polizisten festgehalten und wie eine Schwerstkriminelle brutal auf den Boden gedrückt. Ihre Hilfeschreie quittieren mehrere Beobachter mit unsäglichen Schimpftiraden und einem Vokabular tief unter der Gürtellinie. Das schöne Motto "Leben und leben lassen" gilt anscheinend nicht mehr.
Die Menschen stehen unter Beobachtung
Plötzlich steht man überall unter Beobachtung, spürt Augen allerorten. Ein ungutes, bedrückendes Gefühl, das manchen Älteren beinahe ein bisschen an die düsteren Zeiten der Franco-Diktatur bis 1975 erinnert. Jesus Hernandez (76), Theologe, ehemaliger Pastor und emeritierter Professor der Sozialwissenschaften an der öffentlichen Universität von Navarra, kennt auch die deutsche Gesellschaft gut. Die "Tendenz, andere anonym anzuzeigen", sieht er bis heute als Überbleibsel von Staaten, in denen "totalitäre Regimes" herrschten.
Strenge Regeln für das öffentliche Leben
In Spanien darf man zum Einkaufen und Arbeiten noch hinaus, ebenso zum Arzt und zur Apotheke. Toleriert werden auch Gassigänge von Hundehaltern und Besuche in Kirchen. Dazu halten manche Gotteshäuser eigens ihre Pforten geöffnet. Ein Gebet, eine persönliche Andacht kann einem niemand verwehren. Diese Möglichkeit ist in schweren Zeiten sicher nötiger denn je. Entgegen anders lautender Meldungen ist es sogar möglich, Gottesdienste zu besuchen, wie Stichproben von Sonntag gezeigt haben. Allerdings fand sich kaum eine Seele in den Kirchenbänken ein. Die Kommunion wurde auch nicht ausgeteilt.
Bei Verstößen drohen harte Strafen
Wer nachweislich gegen die Ausgangssperre verstößt, wird hart bestraft. Bußgelder von einigen hundert Euro sind die Regel, selbst Inhaftierungen möglich. Im Baskenland und in Galizien gab es bereits harte Sanktionen gegen Bürger, die es übertrieben haben. So kursieren Berichte über einen unbelehrbaren Surfer, einen vermutlich von der Nachbarschaft denunzierten Hundehalter, der mit seinem Vierbeiner innerhalb weniger Stunden achtmal Gassi ging, und einen Motorradfahrer, der laut eigenen Angaben "nur Brot kaufen" wollte - allerdings 20 Kilometer von seinem Wohnort entfernt, wo er in eine Polizeikontrolle geriet.
Skurrilere Geschichten von Leuten, die Plüschhunde an Leinen hinter sich herzogen, gibt es auch. Und als eine Frau im nordspanischen Pamplona im "Minnie Mouse" -Kostüm allein vor die Türe trat und in die Nachbarschaft winkte, um die Dramatik der Lage ein wenig zu entschärfen, verstand man keinen Spaß, sondern verständigte umgehend die Polizei.
Wie lange kann man Menschen einsperren?
Die unschönen Folgen des Lebens in begrenzter Freiheit werden von Politik und Behörden lieber verdrängt. Wie lange lassen sich Menschen einsperren, ohne an die frische Luft zu dürfen, während zu Hause die Wände immer enger und die Decken immer niedriger werden? Das ist derzeit in Deutschland liberaler gelöst, noch. In Spanien zeigt der Kontroll- und Überwachungsstaat dagegen schon seine Zähne. Zudem nimmt die häusliche Gewalt zu. Sogar Fluchtpunkte wie gemeinschaftliche Dachterrassen darf man offiziell nicht mehr nutzen, selbst wenn man genügend Abstand zu anderen wahrt oder alleine ist.
Aus Angst vor Denunziationen sind manche Anwohner dazu übergegangen, Laken und Decken als Sichtschutz aufzuhängen. Doch die Kontrollen kommen auch aus der Luft, etwa per Hubschrauber. Und in der Dunkelheit setzen die Sicherheitsbehörden sogar Drohnen mit Wärmebildkameras ein. Für die Nach-Krisenzeit zeichnet Theologe und Sozialwissenschaftler Hernandez ein düsteres Bild: "Enger Platz führt zu Aggressionen. Danach könnten Konflikte erst recht explodieren."
In Spanien sind im Zuge der sich dramatisch schnell ausbreitenden Coronavirus-Pandemie besonders stark Menschen in Medizin- und Pflegeberufen betroffen. Bei rund 12 Prozent sämtlicher Covid-19-Infizierten handle sich mittlerweile um Ärzte, Sanitäter oder Krankenpfleger, erklärte der Leiter des spanischen Seuchennotfallzentrums, Fernando Simon, laut spanischen Medienberichten. Bisher hätten sich bereits 4.000 Ärztinnen, Ärzte, Krankenschwestern und -Pfleger mit dem Virus angesteckt.
Mit mehr als 33.000 Infizierten und etwa 2.200 Toten ist Spanien nach Italien das am heftigsten von der Epidemie befallene Land in Europa. Allein seit Sonntag starben 462 Menschen an den Folgen. 87 Prozent der Opfer waren mindestens 70 Jahre alt, so Simon.
Am Wochenende stimmte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez sein Land im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie bereits auf «sehr harte Tage» ein. «Das Schlimmste kommt noch», sagte der Regierungschef in einer Fernsehansprache.
Unterdessen mobilisiert Spanien immer mehr Ärzte im Ruhestand und Medizinstudierende für den Kampf gegen Corona. Dennoch steht das spanische Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps. Eine Gruppe von 70 renommierten spanischen Epidemiologen und Wissenschaftlern anderer Fachbereiche forderte deshalb am Wochenende bereits die «totale Isolierung der Menschen».
Die Experten empfahlen dringend, die Bewegungsfreiheit noch stärker einzuschränken, um das Gesundheitssystem zu entlasten. So solle die Regierung auch die Fahrt zur Arbeitsstelle nur noch bei Arbeitnehmern der Grundversorgungssektoren gestatten. Ansonsten werde das spanische Gesundheitssystem zur Wochenmitte komplett zusammenbrechen.
Zunächst kündigte Sanchez am Sonntag jedoch nur die Verlängerung des Alarmzustands und der Ausgangssperre bis 11. April an. Spanien habe bereits eine der drastischsten Ausgangssperren Europas. Bürger dürfen ihre Wohnung nur verlassen, um zum Supermarkt, zur Apotheke, zum Arzt oder zur Arbeit zu fahren.
Besonders schlimm ist die Lage in Madrid, wo rund 60 Prozent aller Todesopfer gezählt werden. Auf dem IFEMA-Messegelände errichtete die Regierung mit Hilfe der Armee auf 35.000 Quadratmetern bereits ein provisorisches Krankenhaus mit 5.500 Betten zur Behandlung von Coronavirus-Kranken.