Avi Primor gibt die Hoffnung auf Frieden im Heiligen Land nicht auf

"Es kann funktionieren"

Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israel hat sich zu einem militärischen Konflikt entwickelt. Avi Primor, Vorsitzender der Israelischen Gesellschaft für Auswärtige Politik, zeigt im Interview Wege zu einem Frieden auf.

Mädchen vor ihrem zerstören Elternhaus im Gazastreifen (dpa)
Mädchen vor ihrem zerstören Elternhaus im Gazastreifen / ( dpa )

domradio.de: Ist das Vorgehen des israelischen Regierungschefs Netanjahu in dieser Krise klug?

Primor: Ich glaube, er kann nicht anders, er hat keine Alternative. Er hat bestimmt keinen Ehrgeiz nun einen Krieg zu führen, weil er weiß, dass die Israelis in diesem Krieg nichts zu gewinnen haben. Wir können die Hamas nicht wirklich niederschlagen, wir können uns nicht leisten, den Gazastreifen neu zu erobern. Nicht weil es militärisch unmöglich wäre, aber was würden wir nach einer Eroberung mit dem Gazastreifen machen? Dann müssten wir das Gebiet verwalten, das haben wir in der Vergangenheit versucht, das war für uns eher verheerend. Das will Netanjahu also nicht. Aber da die Hamas uns mit Raketen beschießt und die israelische Bevölkerung Druck auf die Regierung ausübt, damit sie etwas tut, um die Angriffe zu beenden, hat er wenig Spielraum. Er muss etwas tun. Er wird nicht einen ganzen Krieg führen wollen, aber schon die Hamas von der Luft bombardieren. Das muss er machen, er kann nicht weniger.

domradio.de: Ist das auch ein Warnsignal an Israel, dass nach einer möglichen Zweistaatenlösung die Feinde noch bessere Möglichkeiten haben, das Land und die Städte Israels zu bombardieren?

Primor: Nein. Wenn wir eine Zweistaaten-Lösung im Rahmen eines Friedensvertrages haben, wird dieser Sicherheitsvorkehrungen beinhalten. Das haben wir mit den Palästinensern schon längst besprochen. Die Palästinenser im Westjordanland wären sogar bereit, dort vorübergehend eine internationale Truppe zu halten, um für die Sicherheit zu sorgen. Diese Situation, die wir im Gazastreifen haben, würden wir im Rahmen der Zweistaatenlösung nicht haben können. Das ist eine ganz andere Situation. Die Frage ist, ob unsere Regierung wirklich ehrlich die Zweistaaten-Lösung anstrebt. Ich glaube nicht, auf jeden Fall nicht diejenigen, die in der Regierung momentan das Hauptwort haben. Auf jeden Fall wird da ohne eine energische amerikanische Einmischung nichts passieren.

domradio.de: Allein durch diesen Krieg, bei dem ja schon wieder dutzende Menschen gestorben sind, ist weiterer Hass entstanden, der noch über Generationen weitergetragen wird. Wie könnten Juden und Araber im Nahen Osten Vertrauen aufbauen, nachdem dieser Krieg irgendwann vorbei sein wird?

Primor: Ein Krieg ist immer fürchterlich und sorgt immer für Misstrauen und Hass. Aber so geht eben die Menschheit: Wenn die Menschen wirklich den Kriegszustand beenden wollen, dann gehen die Leute aufeinander zu, und dann kann schrittweise auch Vertrauen aufgebaut werden. Das braucht natürlich viel Zeit. Aber es kann funktionieren, wenn man gemeinsame Interessen aufbaut und wirtschaftliche oder andere gemeinsame Entwicklungspläne für die gesamte Region entwirft. Damit haben wir ja schon in den Jahren der Osloer Verträge begonnen. Natürlich ist das eine schwierige langjährige Arbeit, aber es ist machbar und das haben andere auch schon getan.

domradio.de: Durchschauen denn die palästinensischen Bürger die Strategie der Hamas?

Primor: Ohne eine Verständigung zwischen Fatah und Hamas kann ein Frieden sowieso nicht entstehen. Die Hamas kann einen Frieden mit uns weder verhandeln noch schließen. Sie kann aber einen Frieden mit der Fatah-Regierung im Westjordaland torpedieren. Deshalb ist es wichtig, dass die Regierung in Ramalah irgendeine Verständigung mit der Hamas findet, damit die Hamas im Gazastreifen auch von einem Frieden profitieren könnte und dem Palästinenserpräsident Abbas freie Hand gibt. Das ist wichtig. Natürlich ist es nicht einfach, weil die Hamas heute nur Feinde hat auf allen Seiten: Feinde in Israel, im Westjordanland und auch in der arabischen Welt. Es ist kompliziert, aber die Hamas wird nicht verschwinden, sie wird irgendwie eingebunden werden müssen, wenn wir einen echten Frieden haben wollen.

domradio.de: Gibt es denn irgendeinen Grund zu Optimismus?

Primor: Nur wenn die US-Amerikaner sich einmischen. Ich glaube aber, dass das noch dauern wird, weil erst im November die Kongresswahlen in den USA stattfinden. Aber nach diesen Wahlen wird Präsident Obama keine Wahlen mehr zu bestehen haben. Dann ist er noch zwei Jahre und drei Monate im Amt und kann dann sehr vieles bewegen. Ob er das wirklich will, weiß ich nicht. Aber die Möglichkeit besteht, wenn auch nicht vor November.


Quelle:
DR