Heftiger Schlagabtausch in Nahost

Sirenen in Tel Aviv und Jerusalem

Der Schlagabtausch zwischen Israel und militanten Palästinensern wird immer heftiger. Im Gazastreifen sterben Dutzende Menschen bei israelischen Luftangriffen. Der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen erreicht Jerusalem und Tel Aviv.

Israelischer Panzer vor Gaza (dpa)
Israelischer Panzer vor Gaza / ( dpa )

Erstmals seit dem Gaza-Krieg Ende 2012 haben militante Palästinenser wieder Jerusalem und Tel Aviv mit Raketen angegriffen. Dort heulten am Dienstagabend und am Mittwoch die Sirenen. Sogar knapp 120 Kilometer vom Gazastreifen entfernt schlug ein Geschoss ein, so weit hatten militante Palästinenser nie zuvor eine Rakete geschossen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Toten im Gazastreifen bei massiven israelischen Luftschlägen auf mindestens 30, darunter auch Kinder. EU und USA warnten vor einer weiteren Eskalation der Gewalt und forderten die Konfliktparteien zur Mäßigung auf. Ziel müsse eine Waffenruhe sein.

Israel will mit der in der Nacht zum Dienstag gestarteten Offensive "Zuk Eitan" (Fels in der Brandung) den ständigen Raketenbeschuss seiner Städte unterbinden. Insgesamt seien rund vier der acht Millionen Menschen in Israel durch Raketen aus dem Gazastreifen bedroht, sagte ein Armeesprecher. Berichte über Opfer in Israel gab es bislang nicht.

Raketenangriff mit der bisher größten Reichweite

Zum ersten Mal schlug in Chadera nördlich von Tel Aviv eine Rakete ein - die Küstenstadt ist knapp 120 Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Dies sei der Raketenangriff mit der bisher größten Reichweite gewesen, sagte eine Armeesprecherin. In der Vergangenheit waren vor allem Orte in einer Entfernung bis 40 Kilometer zum Gazastreifen angegriffen worden.

Die israelische Armee setzte in der Nacht zum Mittwoch ihre massiven Angriffe im Gazastreifen fort. Insgesamt seien 160 Ziele beschossen worden, teilte das Militär mit. Seit Beginn der Militäroperation in der Nacht zuvor hätten Luftwaffe und Marine 435 Ziele angegriffen. Militante Palästinenser im Gazastreifen hätten in diesem Zeitraum 225 Raketen auf Israel abgefeuert. Davon habe die Raketenabwehr rund 40 abgefangen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kündigte für Mittwoch ein Krisentreffen seiner Regierung an. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi habe Abbas am Telefon zugesichert, sein Land werde sich für eine Waffenruhe zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas einsetzen, berichtete der israelische Rundfunk weiter. Die Arabische Liga forderte den UN-Sicherheitsrat in New York auf, eine Dringlichkeitssitzung wegen der Lage in Nahen Osten abzuhalten.

Die EU reagierte extrem beunruhigt auf die eskalierende Gewalt in Nahost. "Wir verfolgen die sich rasch verschlechternde Lage im Süden Israels und im Gazastreifen mit schwerer Besorgnis", erklärte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten. Alle Seiten müssten "äußerste Zurückhaltung" walten lassen und alles an eine sofortige Waffenruhe setzen.

Die USA verurteilten die Raketenangriffe militanter Palästinenser auf Israel. Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung, sagte Regierungssprecher Josh Earnest. Er zeigte sich zugleich besorgt über die Sicherheit von Zivilisten auf beiden Seiten. Washington hoffe, dass Israel einen "Kanal für Diplomatie" geöffnet lasse, um auf eine Waffenruhe oder eine Deeskalation der Lage hinzuwirken. Friedensgespräche zwischen beiden Seiten unter US-Vermittlung waren im April gescheitert.

Obama zögert

US-Präsident Barack Obama betonte, dass die USA weiterhin eine Zweistaatenlösung für den einzigen Weg zu dauerhaftem Frieden in Nahost halten. "Die einzige Lösung ist ein demokratischer jüdischer Staat, der in Frieden und Sicherheit lebt, Seite an Seite mit einem existenzfähigen, unabhängigen Palästinenserstaat", schrieb er in einem Beitrag, der am Donnerstag in der Wochenzeitung "Die Zeit" erscheint. Die amerikanische Unterstützung für Israel bezeichnete Obama als nicht verhandelbar.

Der israelische Historiker und Publizist Tom Segev warnte vor einer weiteren Radikalisierung von Israelis und Palästinensern. Schon seit Jahren beobachte er mit wachsender Sorge, "dass es in beiden Gesellschaften sehr legitim geworden ist zu hassen", sagte Segev im Deutschlandradio Kultur. Er sei deshalb hinsichtlich der Chancen für einen Frieden sehr pessimistisch. Viele Israelis sind nach Einschätzung Segevs desillusioniert und entfernen sich von der Politik. "Die warten, dass die palästinensischen Raketen irgendwo anders fallen und gucken Fußball."

Kurz nach den massiven Raketenangriffen auf israelische Städte versammelten sich am Dienstagabend Fußballfans am Strand von Tel Aviv, um das Spiel zwischen Deutschland und Brasilien zu verfolgen. Mehrere Bars entlang der Strandpromenade bieten Public Viewings an.


Kampfbereiter Palästinenser (dpa)
Kampfbereiter Palästinenser / ( dpa )

Israelische Luftabwehrrakete (dpa)
Israelische Luftabwehrrakete / ( dpa )

Abwehrraketensystem vor Gaza (dpa)
Abwehrraketensystem vor Gaza / ( dpa )
Quelle:
dpa