Erstmals nach der Schoa werden in Köln Rabbiner ordiniert

Ein Schritt in Richtung Normalität

Erstmals seit dem Holocaust findet am Donnerstag in Köln wieder eine Ordination von Rabbinern statt. Zu der Amtseinführung von vier Kandidaten in der Synagoge an der Roonstraße hat sich großer Besuch angesagt: Neben dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, wird Außenminister Guido Westerwelle erwartet. Er will eine Ansprache halten.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Die Aufmerksamkeit des Bundesministers für die Ordination dürfte aber auch mit zwei anderen Themen zusammenhängen. Zum einen hat das ebenfalls in Köln angesiedelte Landgericht die jüdische Praxis der Beschneidung infrage gestellt - und damit national wie international eine Diskussions-Lawine losgetreten. Zum anderen beunruhigt die jüdische Gemeinde der brutale Überfall auf den Berliner Rabbiner Daniel Alter Ende August.



Die vier Männer, die ordiniert werden sollen, sind Absolventen des Berliner Rabbinerseminars. Dieses war 1873 von Rabbiner Esriel Hildesheimer gegründet worden und wird deshalb bis heute auch Hildesheimer"sches Rabbinerseminar genannt. Es war die wichtigste Lehreinrichtung zur Ausbildung orthodoxer Rabbiner in Westeuropa und hatte von der Gründung bis zur zwangsweisen Schließung nach der Pogromnacht 1938 durch die Nazis rund 600 Studenten.



Erst die dritte Ordination

2009 wurde das Rabbinerseminar vom Zentralrat der Juden mit Unterstützung der Ronald S. Lauder Stiftung wiedereröffnet. Es arbeitet im Fach Jüdische Sozialarbeit mit der Fachhochschule Erfurt zusammen. Die erste Ordination von Absolventen des Rabbinerseminars nach dem Holocaust fand 2009 in München und die zweite 2010 in Leipzig statt. Die dritte steht nun in Köln an. Von dem Hildesheimer Seminar unterschieden werden muss die Ausbildungsstätte für das liberale Judentum, das mit der Universität Potsdam kooperierende Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin.



Mit Blick auf die Ordination in Köln weist Rabbiner Jaron Engelmayer, der seit 2008 dort Rabbiner ist, auf die besondere Bedeutung der rheinischen Synagogengemeinde für das Judentum in Deutschland hin. So werde die jüdische Gerichtsbarkeit in Deutschland, die sich etwa um Fragen jüdischer Herkunft, Scheidungen oder Konversionen kümmert, zentral von Köln aus geleitet. Aber auch historisch gesehen hat die Kölner Gemeinde eine herausragende Stellung: Erstmals wird sie in einem Dekret des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 nach Christus erwähnt - und gilt damit als älteste nördlich der Alpen.



Schmerzvolle Geschichte

So langlebig die Geschichte der Kölner Gemeinde, der ältesten nördlich der Alpen,  auch ist, so wechselhaft und schmerzvoll ist sie. So kam es im Mittelalter zu Pogromen gegen Juden. 1424 beschloss der Stadtrat deren Vertreibung. Erst nach der Besetzung Kölns durch Napoleon durften sich Juden wieder dort ansiedeln, kam das jüdische Leben zu neuer Blüte. 1899 wurde die Synagoge in der Roonstraße im neo-romantischen Stil eingeweiht. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in Köln sechs Synagogen für 20.000 Juden. Deren Zahl sank dann bereits 1939 durch Auswanderung und Verfolgung wieder auf 8.000. 1941 begannen die Deportationen; rund 11.000 Juden aus Köln wurden Opfer der Schoah.



Inzwischen ist das Leben in der Kölner Gemeinde wieder aufgelebt. Sie zählt knapp 5.000 Mitglieder und ist damit die fünftgrößte in der Bundesrepublik. Für das Wachstum der Gemeinde ist letztlich auch die jüngste Weltgeschichte mitverantwortlich: Denn rund 80 Prozent der Gemeindemitglieder sind Zuwanderer, vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion. Für sie ist die nach dem Krieg wieder aufgebaute Synagoge an der Roonstraße, die Papst Benedikt XVI. bei seiner Deutschlandvisite 2005 besuchte, zur neuen Heimat geworden. Für Engelmayer ist die Ordination ein weiteres Zeichen dafür, dass sich das orthodoxe Judentum in Deutschland "im frischen Aufbau und in einer positiven Entwicklung" befindet. Den Besuch Westerwelles nennt Engelmayer ein "ganz besonders wertvolles und wichtiges Zeichen", dass sich Westerwelle "in einer Zeit wie dieser" an die Seite des Judentums stelle.