Ein Jahr nach der Katastrophe ist die Aufbauarbeit in Japan noch nicht vorüber

"Wir rechnen noch mit fünf Jahren"

Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu unterstützt Habitat for Humanity, auch Bill Clinton und Brad Bitt: Die christliche NGO hilft armen Familien in aller Welt dabei, Unterkünfte zu finden. Die Vorsitzende der deutschen Sektion, Manuela Kikillus, über die Arbeit in Japan ein Jahr nach Tsunami und Erdbeben im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Wie helfen Sie in Japan konkret vor Ort?

Kikillus: Habitat for Humanity ist besonders in zwei Regionen aktiv: in den Präfekturen Miyagi und Iwate, beides sehr stark betroffene Gebiete. Wir helfen auf zwei Arten: Wir tun das, was wir eigentlich immer tun und gut können, wir unterstützen mit Freiwilligen. Dadurch dass Habitat schon seit vielen Jahren mit Freiwilligen baut, gibt es ein sehr gut ausgestattetes Netz und gute Kontakte zu Freiwilligeneinrichtungen in Japan. Diese Kontakte konnten wir sehr schnell mobilisieren und die Freiwilligen nun bitten, im eigenen Land aktiv zu werden. Im ersten Monat konnten wir rund 400 Leute aktivieren, die sofort eingesetzt wurden, um Folgendes zu tun: Sie haben Schlamm und Schutt beseitigt, zunächst in privaten Häusern, aber auch in öffentlichen Einrichtungen. Neben diesen Aufräumarbeiten sind auch die ersten Häuser mit Hilfe von lokalen Zimmermännern wieder aufgebaut worden. Ein Beispiel: Es gibt zwei große Gruppen Betroffener. Die einen haben wirklich alles durch den Tsunami verloren, da ist das Haus völlig zerstört. Dann gibt es die zweite Gruppe, deren Häuser nicht mehr bewohnbar sind, wo aber die noch die Mauern stehen. Die erste Gruppe erhält vom Staat Unterstützung, die zweite nicht. Deswegen ist das ein Fokus unserer Unterstützung: Wir unterstützen vor allen Dingen die Familien, die ihren noch bestehenden Häuser wieder so herrichten können, dass sie wieder bewohnbar sind.



domradio.de: Nach einem solchen Erdbeben wird ja auch der ganze Hausstand unbrauchbar - da helfen Sie ganz konkret?

Kikillus: Selbst wenn das Haus wieder hergerichtet ist - der gesamte Hausstand ist verloren: Man hat nichts mehr zum Kochen, kein Bett, keine Decke. Dem begegneten wir im Sommer. Und dann mit dem herannahenden Winter stellte sich vor allen Dingen das Problem ein, wie man die Häuser heizen sollen. Wir beschlossen deshalb. Hilfsgüter zu liefern; Hilfsgüter, die gerade die beschriebenen Schwachstellen beheben. Wir haben zunächst Haushaltsgegenstände verschickt, damit die Leute kochen konnten. Dann haben wir Heizgeräte nach Japan versendet. Wir konnten diese Hilfeleistungen für insgesamt 16.000 Menschen nur erbringen, weil wir z.B. vom Katastrophenbündnis "Deutschland hilft", von großen Firmen und anderen Spenden erhalten haben.



domradio.de: Die Katastrophe liegt ein Jahr zurück. Was brauchen die Menschen heute am meisten - und auch auf lange Sicht gesehen?

Kikillus: Neben der konkreten Aufbauhilfe brauchen die Menschen auch psychische Unterstützung und Zuspruch. Man darf nicht vergessen, dass es starke kulturelle Unterschiede gibt. Alleine nach außen zu gehen und um Hilfe zu bitten, ist nicht so selbstverständlich wie bei uns. Gelegenheiten sich mit anderen zu treffen beispielsweise in Gemeinschaftszentren, können eine große Hilfe sein: Deshalb werden wir in diesem Jahr wieder verstärkt Gemeinschaftszentren aufbauen, damit es Orte gibt, wo man sich treffen kann. Darüber hinaus werden wir beraten, zum Beispiel in der Frage der Finanzierung. Wir rechnen damit, noch fünf Jahre tätig zu sein. In diesem Jahr wollen wir gemeinsam mit Partnern noch knapp 5.000 Freiwillige mobilisieren, um den Menschen in Japan zu helfen.



Das Gespräch führte Mathias Peter.