Kirchenprojekt für Moskaus Obdachlose

Duschen auf Rädern

In der Millionenmetropole Moskau gibt es bisher nur drei Anlaufstellen, wo sich Wohnungslose waschen können. Die russisch-orthodoxe Diakonie will deshalb fahrbare Duschen einrichten. Doch das Projekt droht an der Bürokratie zu scheitern.

Autor/in:
Ann-Dorit Boy
 (DR)

Im Hinterhof der orthodoxen Obdachlosenhilfe im Zentrum von Moskau steht Ilja Kuskows ganzer Stolz: ein weiß-blauer Bauwagen auf Rädern mit sechs nagelneuen Duschkabinen darin. Kuskow zieht die Plastikvorhänge mit Pinguin-Druck auf und zeigt die glänzenden Wannen. "Hier sollen sich künftig 70 Menschen pro Tag duschen können", sagt der Leiter der Obdachlosenhilfe. Doch obwohl der fahrbare Waschraum in der russischen Hauptstadt dringend benötigt wird, steht er seit Monaten unbenutzt im Hof. Die notwendigen Genehmigungen stehen aus. Wo der Wagen einmal stehen kann, ist noch völlig unklar. Mit dem Kauf sei leider erst die Hälfte der Probleme gelöst, klagt Kuskow.



In Moskau leben nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 10.000 und 50.000 Menschen auf der Straße. Gerade bei winterlicher Kälte und Schnee sind sie auf Hilfsangebote angewiesen. Doch nur drei städtische Anlaufstellen bieten Waschmöglichkeiten für Wohnungslose. Einer dieser Räume liegt im Zentrum, zwei weitere am Rande der Millionenmetropole. "Die Obdachlosen haben große Schwierigkeiten, dort überhaupt hinzukommen. Sind sie schmutzig, werden sie oft gar nicht in die U-Bahn gelassen. Es ist ein Teufelskreis", sagt Kuskow.



Er weiß, dass die Kapazitäten der Anlaufstellen ohnehin nicht ausreichen würden. Jeder der städtischen Duschräume könne maximal 100 Menschen pro Tag versorgen, insgesamt höchstens 1.800 pro Woche, sagt der junge Familienvater, der seit mehreren Jahren in der Obdachlosenhilfe der russisch-orthodoxen Diakonie arbeitet.



Grundstücke und Immobilien in Moskau sind teuer

Ohne Sauberkeit könnten Obdachlose den Sprung zurück in die Gesellschaft kaum schaffen, glaubt Wladimir, ein Bauarbeiter vom Ural. Dass er obdachlos ist, sieht man dem 35-Jährigen nicht auf den ersten Blick an. Der bärtige Mann benutzt regelmäßig den städtischen Waschraum am Kursker Bahnhof. "Ich versuche, mich hier mindestens zwei Mal pro Woche zu waschen." Seit er auf seine Körperhygiene achte, finde er leichter Gelegenheitsarbeit auf den Baustellen der Stadt, sagt Wladimir. "Wäre ich betrunken und schmutzig gewesen, hätten sie mich nicht genommen." Nun hofft der Obdachlose auf eine offizielle Arbeitsstelle, damit er sich endlich auch als Bürger von Moskau registrieren lassen kann.



Weil zentrale Grundstücke und Immobilien in Moskau teuer sind, kam die russisch-orthodoxe Obdachlosenhilfe auf die Idee mit den Duschen im Bauwagen. Die Herstellerfirma produziere solche Wagen eigentlich für Arbeiter, die in den entlegenen Gebieten des hohen Nordens oder im Osten arbeiten, berichtet Kuskow. Ein Firmensponsor stiftete die 30.000 Euro für den ersten Wagen mit Kabinen und Wassertank für 1.500 Liter. Von der Stadt Moskau gab es keine finanzielle Hilfe. Seit Oktober bemüht sich Kuskow nun schon um eine Genehmigung der staatlichen Verbraucherschutzbehörde. Er habe längst alle Dokumente abgeschickt, nun könne er nur noch warten, sagt er.



Noch fehlen die Ehrenamtlichen

Unterdessen hat der Leiter der Obdachlosenhilfe schon begonnen, nach passenden Stellplätzen im Zentrum Moskaus zu suchen. Doch auch das ist schwierig. Neben den freien Flächen befänden sich häufig Bürogebäude, berichtet Kuskow. In deren Nähe wolle niemand einen Treffpunkt für Obdachlose haben. "Alle Stadtbezirke versuchen, dem zu entgehen." Zudem fehlen der Diakonie Helfer, die den Wagen betreuen könnten. Nur sieben Prozent der Russen engagieren sich ehrenamtlich, das ist die niedrigste Quote in Europa. Er könne nur auf seine fest angestellten Mitarbeiter setzen, sagt Kuskow.



Trotz allem glaubt Kuskow noch fest an den Erfolg seines Vorhabens. "Wenn wir den ersten Duschwagen endlich erfolgreich auf die Straße gebracht haben, dann wird es leichter werden", glaubt der Obdachlosenhelfer. Dann will er Spenden sammeln, weitere Wagen kaufen und sie an mehreren Orten in Moskau betreiben, überall dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden.