Unions-Kirchenbeauftragte zur Religionsfreiheit in Ägypten

"Bürgerkriegsähnliche Umstände"

Deutschland will bei Ausschreitungen gegen Kopten in Ägypten nicht stumm bleiben. Der ägyptischen Übergangsregierung müsse klar werden, "dass die internationale Gemeinschaft auf das Land schaut und es nicht akzeptieren wird, dass dort diese bürgerkriegsartigen Umstände einreißen werden", so die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Flachsbarth im domradio.de-Interview.

Maria Flachsbarth (KNA)
Maria Flachsbarth / ( KNA )

domradio.de: Angesichts der blutigen Auseinandersetzungen, was muss aus Ihrer Sicht für eine Religionsfreiheit in Ägypten getan werden?

Maria Flachsbarth (CDU), Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Es muss dringend gewährleistet sein, dass die Sicherheit der Minderheiten im Land anerkannt wird und dass die Religionsfreiheit tatsächlich anerkannt wird als so schützenswertes Gut wie es die UN-Menschenrechtskonvention zum Beispiel vorsieht. Ich denke, dass Gradmesser für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in einem Land jeweils ist, wie ein Land mit seinen Minderheiten umgeht. Das muss Ägypten immer und immer wieder von der internationalen Öffentlichkeit vor Augen gehalten werden.



domradio.de: Wenn es um die Religionsfreiheit in Ägypten geht, steht besonders Artikel 2 der ägyptischen Verfassung in der Kritik, der die Scharia als wichtigste Quelle des Rechts in Ägypten festschreibt. In welchen konkreten Situationen verschlechtert denn dieser Artikel in der Verfassung die Belange der Kopten?

Flachsbarth: Dieser Artikel kennt die Religionsfreiheit als solche nicht. Der Artikel 2 sieht die Scharia, die Lebensumstände im Rahmen des Islams als die vorrangig zu beachtenden an. Von daher sind alle anderen Religionen dort eben nicht als gleichberechtigt vorgesehen. Die ägyptische Verfassung befindet sich auch in Überarbeitung. Die internationale Völkergemeinschaft muss darauf hinweisen, dass die Religionsfreiheit ein hohes Gut ist, von der UN-Menschenrechtskonvention so festgesetzt und vorgesehen ist und dass mit ihr nicht beliebig umgehen kann.



domradio.de: Kann Deutschland denn Druck auf die ägyptische Verfassungsreform ausüben und auf eine Änderung des umstrittenen Artikels hinwirken?

Flachsbarth: Die internationale Gemeinschaft übt derzeit Druck aus. Außenminister Westerwelle, Frau Ashton aus der Europäischen Union, aber auch Präsident Obama oder Herr Ban Ki-moon haben sich gestern alle zu Wort gemeldet und alle darauf gedrungen, dass die Menschenrechte in Ägypten eingehalten werden, auch in Zeiten des Umbruchs. Ich denke, dass es schon wichtig ist, dass in Ägypten den Verantwortlichen klar wird, dass die internationale Gemeinschaft auf das Land schaut und es nicht akzeptieren wird, dass dort diese bürgerkriegsartigen Umstände einreißen werden. Es hat sich gestern auch gezeigt, dass der ägyptische Finanzminister Hasem Al-Beblaui zurückgetreten ist und man kann daraus schon erkennen, dass es der ägyptischen Übergangsregierung nicht ganz egal ist, was das Ausland letztendlich zu diesen Vorkommnissen sagt.



domradio.de: Sie waren selbst Anfang des Jahres in Ägypten, nach dem Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria. Wie konnten die Kopten damals Ihre Religion leben? Welche Einschränkungen haben Sie erlebt?

Flachsbarth: Sie konnten ihre Religion leben, allerdings eingeschränkt. Sie wurden diskriminiert, nicht direkt verfolgt. Man muss vielleicht differenzieren, wenn man die Situation der Kopten in Ägypten ansieht. Ägypten ist ein sehr junges Land. Ägypten ist ein Land, was längst nicht den westlichen Standard erreicht hat, was große wirtschaftliche Probleme hat und wo viele junge Menschen - Christen wie Muslime - versuchen, ein für sie selbst guten Lebensweg zu finden und zu gehen und selbstverständlich auch wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Da gibt es Konkurrenzen zwischen diesen jungen Menschen. Der Punkt ist, dass die Christen auch in ihrer sozialen Entwicklung, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung immer und immer wieder diskriminiert werden und dass das letztendlich zu Spannungen zwischen den unterschiedlichen religiösen Gruppen führt.



domradio.de: Sie waren vor der Revolution im Land. Aber glauben Sie nach den Begegnungen damals, dass sich die ägyptischen Kopten vielleicht nach Mubarak zurücksehnen?

Flachsbarth: In Situationen des Umbruchs wie sie derzeit in Ägypten herrschen sind die Unsicherheiten viel größer. Die Hoffnung aber war, dass das Mubarak-Regime, was ja auch mit Gewalt und Nicht-rechtsstaatlichen Methoden geherrscht hat, dass das durch einen Demokratisierungsprozess, durch mehr Rechtsstaatlichkeit abgelöst wird. Die Hoffnung, die vom Tahrir-Platz ausging, als Christen betende Muslime und Muslime betende Christen geschützt hatten, war ja, dass es wieder zu einem friedlichen Zusammenleben dieser beiden großen Religionen kommen könnte. Das Mubarak-Regime hat die Probleme zwischen diesen beiden Gruppen für sich selbst genutzt, um sich selber als Kraft dazustellen, die für Sicherheit und Ordnung garantiert. Der Militärrat, die jetzt herrschende Übergangsregierung, scheint dergestalt jetzt auch weiter zu machen und die Spannungen zwischen den beiden Gruppen dazu zu nutzen, um die eigene Macht über einen längeren Zeitraum noch fortbestehen zu lassen.



Das Interview führte Dagmar Peters