Caritas International zur Lage in Libyen

"Niemand ist vom Hungertod bedroht"

Eine "humanitäre Krise" bedrohe Libyen, hieß es am Wochenende. Im Interview mit domradio.de bestätigt Caritas International "erste Probleme". Dennoch rechnet Afrika-Referent Christoph Klitsch-Ott dem Land gute Chancen aus, seine Krise selber zu bewältigen.

 (DR)

domradio.de: Mit welchen Problemen hat das Land jetzt zu kämpfen?

Klitsch-Ott: Libyen ist ein reiches und im Prinzip weit entwickeltes Land - gewesen. Durch den Krieg wurde zum Teil Infrastruktur lahmgelegt. Strom- und Wasserversorgung sind die ersten Probleme, weite Teiles des Landes sind ohne beides.



domradio.de: Libyen gehörte ja immer zu den reicheren Ländern. Besonders die Einnahmen durch Öl haben das Land gestärkt. Doch die Situation ist seit dem Bürgerkrieg eine andere. Sind die Menschen jetzt ähnlich stark auf Hilfe angewiesen wie zum Beispiel die Menschen am Horn von Afrika?

Klitsch-Ott: Das auf keinen Fall, das lässt sich nicht vergleichen. In Libyen ist derzeit sicherlich niemand vom Hungertod bedroht. Es ist ganz klar, dass aufgrund der Versorgungsengpässe die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern schwierig ist. Der Nachschub an Nahrungsmitteln in das Land hinein ist schwierig. Auch die Transportwege innerhalb des Landes sind unterbrochen. Aber das Land hat Chancen, wenn es nicht in eine Situation - wie etwa der Irak - abgleitet, relativ schnell diese Infrastruktur wieder in Stand zu setzen und die Situation zu meistern.



domradio.de: Könnte Libyen denn in eine Situation wie der Irak geraten?

Klitsch-Ott: Niemand kann im Moment eine ernsthafte Prognose abgeben, wie sich Libyen entwickeln wird. Es hängt davon ab, ob sich die Interessengruppen - die Stämme - in einer Art demokratischem System zusammenfinden. Und nach dieser jahrzehntelangen Diktatur einen Modus finden, wie sie zusammenleben können. Das wird sehr schwierig. Das kann abgleiten in eine Situation wie im Irak, wenn sich die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nicht zusammenfinden. Aber viele Analysten gehen auch davon aus, dass sehr gute Chancen bestehen, dass eine halbwegs moderne Demokratie etabliert werden kann.



domradio.de: In den vergangenen Wochen waren es ja vor allem die Gastarbeiter in Libyen, die auf Hilfe angewiesen waren. Sie flüchteten vor der Gewalt, wollten zurück in ihrer Heimatländer und strandeten in Flüchtlingslagern an den Grenzen. Wie sah Ihre Arbeit dort aus?

Klitsch-Ott: Wir haben mit vielen anderen Hilfe geleistet. Vor allen Dingen in den Lagern in Ägypten und Tunesien, wo diese Gastarbeiter angekommen sind. Der allergrößte Teil dieser Menschen ist inzwischen in seine Heimat zurückgekehrt, für über 90 Prozent der Flüchtlinge wurde eine Lösung gefunden. Man wird sehen, wie es mit den im Land gebliebenen Gastarbeitern weitergehen wird.



domradio.de: Wie wird es weitergehen in Libyen?

Klitsch-Ott: Es sieht ja so aus, als wären die Gaddafi-Truppen besiegt. Es wird jetzt darum gehen, das Land zu stabilisieren, die Infrastruktur wiederherzustellen. Da wird sehr viel internationale Hilfe benötigt werden. Ich bin relativ zuversichtlich, weil man in Libyen einfach auch Geld verdienen kann, da wird auch der Privatsektor investieren, um beispielsweise die Ölquellen wieder gangbar zu machen. Libyen ist ein Land, das den Wiederaufbau bezahlen kann. Das unterscheidet Libyen von vielen anderen Ländern der Welt.   



Das Gespräch führte Dagmar Peters.