Diskussion um möglichen Bundeswehreinsatz in Libyen

Angst vor zweitem Somalia

Deutschland bleibt mit Blick auf einen Militäreinsatz in Libyen zurückhaltend. Außenminister Guido Westerwelle nannte die Diskussion verfrüht. Außen- und Sicherheitspolitiker warnten vor Anarchie und Bürgerkrieg in dem nordafrikanischen Land.

 (DR)

Am gegenwärtigen NATO-Einsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung beteiligt sich Deutschland nach offizieller Darstellung nicht. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat aber einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Libyen nach dem Sturz des Machthabers Muammar al Gaddafi nicht ausgeschlossen. Westerwelle sagte dagegen am Abend im ZDF, jetzt gehe es erst einmal darum, dass das libysche Volk über seine eigene Zukunft entscheiden müsse. Er sicherte deutsche Hilfe zu, etwa beim Aufbau der Zivilgesellschaft, bei Beratungen für eine vielfältige Medienlandschaft, beim Aufbau einer unabhängigen Justiz, bei der Durchführung von freien und fairen Wahlen sowie beim wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes. Dazu sollten auch die mehr als sieben Milliarden Euro des Gaddafi-Regimes genutzt werden, die in Deutschland eingefroren sind. --
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Polenz warnt vor Zuständen wie im Irak --
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), sagte, er sehe keine Anzeichen dafür, dass der von den Rebellen gebildete nationale Übergangsrat um militärische Unterstützung bitten werde. "Die NATO sollte sich sehr gut überlegen, wie man in einem solchen Falle reagieren würde", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Auf den nationalen Übergangsrat kommt große Verantwortung zu, damit es nicht wie im Irak nach dem Sturz von Saddam Hussein zu Chaos, Anarchie und Bürgerkrieg kommt." Die Bundesrepublik sei Mitglied der Kontaktgruppe, die in mehreren Treffen bereits Schritte für die Zeit nach dem Sturz Gaddafis vorbereitet habe, sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post".--
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FDP-Außenexperte Rainer Stinner sagte der "Passauer Neuen Presse": "Wir können beim Aufbau von Institutionen, von Infrastruktur und einer selbst tragenden Wirtschaft helfen. Aber es sollte nicht immer gleich an die Entsendung von Soldaten gedacht werden."--
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Aus Sicht von Grünen-Sicherheitsexperte Omid Nouripour ist der Auftrag der NATO in Libyen noch nicht beendet. "Das UN-Mandat hat einen Kernauftrag, den Schutz der Zivilbevölkerung", sagte Nouripour der Zeitung. "Der Westen trägt Verantwortung dafür, dass diejenigen, die auf der falschen Seite gestanden haben, jetzt nicht Opfer von Lynchjustiz werden." Die NATO müsse mit den Rebellen ein klares Wort reden.--
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Scholl-Latour: Islamisten warten auf ihre Stunde --
Der Nahostexperte Peter Scholl-Latour sagte, Libyen könne sich zu einem neuen Somalia entwicklen, wo es kaum noch eine Staatsautorität gibt. Beim weiteren Kampf um die Macht werde es sicherlich Spannungen geben. Die Führung der Freiheitsbewegung sei an zentralen Stellen mit Männern besetzt, die früher Gaddafi gedient hätten. "Die Islamisten warten angesichts dieser Zersplitterung nur darauf, dass ihre Stunde schlägt", sagte er. --
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Der Nahostexperte Udo Steinbach sagte, Gaddafi werde wohl vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag der Prozess gemacht. "Das Sündenregister dieses Mannes ist erheblich", sagte Steinbach der Hannoverschen "Neuen Presse" (Dienstagausgabe) laut Vorabbericht. Wenn er überlebe, werde er sich früher oder später in der Nachbarschaft des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic wiederfinden, der bereits in Den Haag vor Gericht steht. --
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