Verteidigungsminister de Maizière stellt Fahrplan für die Neuausrichtung vor

Radikalkur für die Bundeswehr

Ein Radikalumbau soll die Bundeswehr für internationale Einsätze fit machen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat jetzt die Eckpunkte für die Reform vorgestellt. Im domradio.de-Interview fragte der SPD-Verteidigungsminister Hans-Peter Bartels kritisch, wie eine kleine Bundeswehr mehr Soldaten für den Auslandseinsatz rekrutieren könne.

Autor/in:
Mey Dudin und Christiane Jacke
 (DR)

Nach den Plänen des Verteidigungsministers soll die Truppenstärke von derzeit gut 220.000 auf etwa 175.000 reduziert werden, und auch die Zahl der zivilen Mitarbeiter soll deutlich schrumpfen. Ziel ist es, die Streitkräfte durch straffere Strukturen und weniger Bürokratie schlagkräftiger zu machen. Das Bundeskabinett hatte das Vorhaben am Mittwoch gebilligt.



Umsetzung soll in den kommenden acht Jahren geschehen

Die Reform soll in sechs bis acht Jahren umgesetzt werden, der Großteil aber schon in den kommenden zwei Jahren. Er werde den Prozess so anlegen, dass er auch für die Opposition zustimmungsfähig sei, betonte der Minister. Schließlich werde sich die Neuregelung über zwei Legislaturperioden erstrecken. Daher strebe er einen möglichst weitreichenden Konsens an.



Nachdem die Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli feststeht, wird die Bundeswehr künftig zur Freiwilligenarmee mit 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten und mindestens 5.000 freiwillig Wehrdienstleistenden. Die Zahl der Soldaten im Wehrdienst kann den Eckpunkten zufolge auf bis zu 15.000 gesteigert werden, was allerdings unwahrscheinlich ist, da die Rekrutierung Freiwilliger als schwierig gilt.



Schrumpfkur auch im Ministerium

Die Zahl der zivilen Mitarbeiter soll von derzeit 76.000 auf 55.000 Stellen schrumpfen. Auch das Verteidigungsministerium wird verkleinert. Die Zahl der Mitarbeiter dort wird den Plänen nach von 3.500 auf künftig rund 2.000 reduziert, die Zahl der Abteilungen von 17 auf 9. Vermutlich kommt auch der Dienstsitz in Bonn auf den Prüfstand. De Maizière versicherte, dass der Personalabbau "so fürsorglich wie möglich" gestaltet werde. Er regte an, ausscheidende Mitarbeiter der Bundeswehr bei anderen Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst vorzuziehen.



Künftig sollen rund 10.000 Soldaten zeitgleich für Auslandseinsätze verfügbar sein. Derzeit sind knapp 7.000 deutsche Soldaten an internationalen Missionen beteiligt. De Maizière hält künftig auch Einsätze der Bundeswehr für möglich, wenn kein unmittelbares nationales Interesse besteht. Für andere demokratische Nationen sei das als Teil internationaler Verantwortung selbstverständlich.



Schwierige Standortfragen stehen an

Über die Standorte wird den Angaben nach im Herbst entschieden. Es gilt jedoch als sicher, dass zahlreiche Niederlassungen geschlossen werden. "Eine Schönwetterveranstaltung wird das nicht werden", räumte der Minister ein und forderte die Leitungsebene in der Bundeswehr auf, mit ihm Überzeugungsarbeit für die Einschnitte zu leisten.



Alle Ausrüstungsvorhaben werden auf den Prüfstand gestellt. Bei der Untersuchung sollen auch externe Sachverständige helfen. Am Rüstungsetat wird aber nicht gerüttelt: Dafür stehen auch künftig jährlich 5,1 Milliarden Euro zur Verfügung.



"Zu viele Stäbe, Generäle und Vorschriften"

De Maizière begründete die Reform mit "gravierenden Mängeln" in der Armee. Die Bundeswehr sei schon lange strukturell unterfinanziert. Defizite lägen auch bei den Fähigkeiten und Führungsstrukturen. Es gebe "zu viele Stäbe und zu viele Generalsterne", "strukturelle Wucherungen", "zu viel Aufsicht für zu wenig Arbeit". Auch ein Überfluss an Vorschriften sei ein Problem. Die Organisation und die Strukturen der Bundeswehr seien für die jetzigen und künftigen Aufgaben "unzureichend".



De Maizière hatte das Mammutprojekt von seinem Amtsvorgänger, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Anfang März übernommen, nachdem der CSU-Politiker wegen der Affäre um seine in weiten Teilen abgeschriebene Doktorarbeit zurückgetreten war. Guttenberg habe die Reform "entschlossen aufgegriffen und vorangetrieben", sagte de Maizière. "Er hat dieses große Rad angeworfen. Das bleibt sein Verdienst."



Der Minister appellierte an die Mitarbeiter der Bundeswehr, die Reform gemeinsam und geschlossen anzugehen. "Eine Truppe kann nur dann Erfolg haben, wenn sie gemeinsam in eine Richtung läuft", sagte er und räumte zugleich ein, die Aufgabe werde schwierig: "Wir haben uns viel vorgenommen. Die Neuausrichtung der Bundeswehr und des Ministeriums gleichzeitig ähnelt einer Operation am offenen Herzen, während der Patient weiter auf der Straße spazieren geht."