Kölner Kardinal verurteilt Selbsttötungen wegen Alzheimer

Eine "typische atheistische Reaktion"

Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner hat sich zum Freitod des Kunstförderers und Fotografen Gunter Sachs geäußert. In einem Abschiedsbrief hatte Sachs die Furcht formuliert, bei einer weiteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seine Würde zu verlieren. Diese Argumentation kann Kardinal Meisner nicht nachvollziehen.

 (DR)

Die Würde des Menschen läge nicht in seiner Intelligenz, so der Kardinal gegenüber domradio.de, daher nehme die Menschenwürde auch bei schwindender Intelligenz nicht ab. Auch Säuglinge verfügten schließlich über menschliche Würde.



"Lebenswertes Leben" auch mit Demenz möglich

Der Einstellung Sachs´wollen Patientenorganisationen wie die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mit Öffentlichkeitsarbeit und Therapieangeboten entgegentreten. Natürlich sei die Diagnose Alzheimer ein Schock und löse tiefe Ängste bei den Betroffenen und ihren Familien aus, betont die Vorsitzende Heike von Lützau-Hohlbein. Aber Erfahrungen etwa in Selbsthilfegruppen zeigten, dass auch mit Demenz ein "lebenswertes Leben" möglich sei. Warum aber greifen trotzdem manche Ältere und Kranke zu dem letzten aller denkbaren Mittel, der Selbsttötung?



Für den Stuttgarter Psychotherapeuten Hans Wedler ist Sachs kein Einzelfall. Der Herausgeber der Zeitschrift "Suizidprophylaxe" der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention verweist auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach liegen die Suizidraten bei älteren Menschen um circa 60 Prozent über denen der Gesamtbevölkerung. Gab es im Jahr 2009 unter der Gesamtbevölkerung knapp 12 Suizide pro 100.000 Einwohner, stieg dieser Wert bei den über 60-Jährigen auf 18,6. Auch wenn die Gründe für einen Freitod höchst unterschiedlich seien, führt der Experte das Phänomen auf einen tiefgreifenden Wandel in nahezu allen Lebensbereichen zurück.



So steige der Anteil von alten Menschen kontinuierlich, was mit einer Zunahme von Demenz- und anderen schweren Krankheiten einhergehe. Zugleich böten sich Medizinern immer mehr Möglichkeiten, den Sterbevorgang hinauszuzögern. Das löse oft eher Angst statt Zuversicht aus. Hinzu komme: Bei vielen Zeitgenossen stehe inzwischen die Wahrung der persönlichen Freiheit höher im Kurs als die soziale Fürsorgepflicht. Wer alt und schwer krank ist, fürchtet nicht nur einen Kontrollverlust, sondern empfindet sich unter Umständen als Last für seine Umgebung.