Winfried Kretschmann ist Sieger des Wahlsonntags

Grün, katholisch, Ministerpräsident?

Die Wahlbürger in Baden-Württemberg haben Geschichte geschrieben. Nach fast 60 Jahren muss die CDU die Regierungsmacht in dem Bundesland an die Grünen und die SPD abgeben. Und erstmals in der bundesdeutschen Geschichte könnte es zudem mit Winfried Kretschmann einen grünen Ministerpräsidenten geben. Kretschmann ist überzeugter Katholik.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

In Baden-Württemberg schnitten die Grünen etwas besser ab als die SPD. Deshalb beanspruchen sie für ihren Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann das Amt des Ministerpräsidenten. Kretschmann sagte, die Grünen seien bereit und fähig, Regierungsverantwortung zu übernehmen. SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid betonte: "Schwarz-Gelb ist abgewählt!" Es gebe einen klaren Regierungsauftrag für SPD und Grüne.



Der bisherige Regierungschef Stefan Mappus (CDU) wünschte bereits SPD und Grünen "für die Erfüllung des Regierungsauftrags alles Gute". Für die CDU bleibe nun die Oppositionsrolle. Mappus kündigte an, er wolle seinen Teil dazu beitragen, dass die Partei "inhaltlich und personell den dazu notwendigen Neubeginn starten" werde. Einzelheiten werde er erst am Montag nennen.



Dem vorläufigen Ergebnis zufolge kommen Grüne und SPD gemeinsam auf 71 Sitze im Stuttgarter Landtag. Dagegen verfügen CDU und FDP nur über 67 Sitze. Stärkste Fraktion bleibt die CDU mit 60 Sitzen und einem Wahlergebnis von 39,0 Prozent der Stimmen. Das sind 5,2 Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl 2006. Zweitstärkste Partei wurden mit 24,2 Prozent die Grünen, die sich gegenüber 2006 um 12,5 Prozentpunkte verbesserten. Sie verfügen im neuen Landtag über 36 Sitze. Die SPD kam auf 23,1 Prozent der Stimmen (minus 2,1 Prozentpunkte) und darf 35 Abgeordnete ins neue Landesparlament entsenden.



Die FDP erreichte nur noch 5,3 Prozent - damit verlor sie 5,4 Punkte. Sie stellt im neuen Landtag sieben Abgeordnete. Die Wahlbeteiligung stieg von 53,4 auf 66,2 Prozent.



Die schwarz-gelbe Koalition in Baden-Württemberg war zunächst wegen des umstrittenen Bahnprojekts "Stuttgart 21" unter Druck geraten. In den vergangenen Wochen brachte dann die Atomkatastrophe in Japan vor allem den klaren Kernenergie-Befürworter Mappus in Erklärungsnöte.



Mitglied im Diözesanrat

Gegenüber domradio.de erinnert sich Alexander Lahl vom Stadtdekanat Stuttgart so an Winfried Kretschmann: "Zwei Stunden Gespräch mit dem Papst" habe der bei einer gemeinsamen Veranstaltung als "größten Wunsch" genannt. Bei einem Blick auf die Vita des grünen Spitzenkandidaten in Baden-Württemberg überrascht das nicht.



Der 62-Jährige ist Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken und im Diözesanrat des Erzbistums Freiburg. Im Vatikan, wenn auch nicht zum Papstgespräch, war er schon. Zuletzt Ende 2010, als ganz Deutschland auf die Debatte um das das Bahnprojekt Stuttgart 21 schaute. Damals berief sich Kretschmann, der 1988 zum ersten Mal in den baden-württembergischen Landtag gewählt wurde, auch auf den Papst. Die Diskussion sei längst zum "Brennglas für wichtige Probleme der gesamten Gesellschaft" geworden, sagte er damals. Es gehe hier um die Frage, wie die Demokratie mit mehr Bürgerbeteiligung im 21. Jahrhundert weiterentwickelt werden könne.



Dass für ihn die Parteigrenzen beim gemeinsamen Glauben an eine größere Idee enden, bewies Kretschmann Anfang des Jahres in der Eifel: Zusammen mit knapp katholischen 50 Politikern aus Bund und Ländern kam er im Kloster Maria Laach zu einem Wochenende der Besinnung zusammen.



Großes Potenzial als Landesvater

Lange wurde dem Grünen-Spitzenkandidat eine große Nähe zur CDU attestiert. Doch "Stuttgart 21" und der Streit um die Abschaltung der Atomkraftwerke nach der Reaktorkatastrophe in Japan haben die frappierenden Unterschiede zwischen beiden Parteien unverhohlen zu Tage treten lassen.



Bevor er sich der Politik verschrieb, war Kretschmann Lehrer. Dank seiner bodenständigen und sehr dem Land Baden-Württemberg verbundenen Art hat er großes Potenzial als Landesvater. Doch anders als sein Parteikollege, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, ist er mit seiner eher sperrigen Art deutlich weniger medienwirksam. In gewisser Weise ähnelt er hier Benedikt XVI.