Südafrikas Ex-Präsident de Klerk wird 75

Ein wenig Krenz, ein bisschen Gorbatschow

Frederik Willem de Klerk sieht sich nicht als Getriebener, sondern als Gestalter. Nicht als Egon Krenz, sondern als Michail Gorbatschow des Apartheidstaates Südafrika. Er hatte das Heft des Handelns in der Hand, so betont er, als er im Februar 1990, auf dem Höhepunkt der weltweiten Euphorie der Wendejahre, das Ende der Rassentrennung ankündigte.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Noch viele Jahre später hat de Klerk dafür Morddrohungen weißer Landsleute erhalten. Der Preis vielleicht für eine ungewöhnliche Lebensleistung. Am Freitag wird der Rentner und Friedensnobelpreisträger 75 Jahre alt.



Seit fast sechs Jahrzehnten ist Frederik Willem de Klerk Kettenraucher. Zigaretten. Am meisten Qualm aber hat seine Friedenspfeife mit Nelson Mandela gemacht. Das Holz war einfach noch zu grün. Ein strammer Konservativer der National Party mit astreinem burischen Politikerstammbaum und der Staatsfeind Nummer eins gemeinsam beim Rauchen? - Historisch habe es gar keine andere Möglichkeit gegeben, hat de Klerk immer erklärt.



Die Seiten, von denen er sich der "historischen Chance" argumentativ näherte, haben freilich mit den Jahren changiert. Damals, vor seiner historischen Ansprache vom 2. Februar 1990, argumentierte er gegenüber seiner Partei NP, mit dem Verlust der sowjetischen Unterstützung hätten die kommunistischen Kräfte unter den Schwarzen ihre Machtbasis verloren. Es gebe nun für die weiße Minderheit eine vielleicht letzte Chance, die Bedingungen für einen Frieden mitzugestalten, solange sie noch real an der Macht sei. In der Rückschau konnte de Klerk 2003 sagen: "Ich könnte heute noch Präsident sein. Aber dann hätte ich über Leichen gehen müssen, über Tausende von Leichen. Und es wäre für eine Sache gewesen, die moralisch nicht zu rechtfertigen ist."



Misstrauen und Frust

Welche Rolle spielte damals historische Einsicht? Welche Rolle die internationalen Sanktionen, die der Regierung in Pretoria das Leben zunehmend schwer machten? Und welche Rolle spielte de Klerk selbst; der Präsident, der Hände schüttelte und Schwarzenführer wie Erzbischof Desmond Tutu zum Schwärmen brachte? Der mögliche Frieden hing lange Zeit am seidenen Faden. Eine ernste Gefahr waren die Konflikte zwischen den Anhängern von Mandelas Afrikanischem Nationalkongress (ANC) und der Inkatha-Bewegung (IFP) von Zulu-Führer Mangosuthu Buthelezi. Immer wieder kam es zu Überfällen und Zusammenstößen. Rund 14.000 Tote soll es bei politischen Gewalttaten zwischen 1990 und den ersten freien Wahlen 1994 gegeben haben.



Die blutigen Konflikte zwischen Xhosa und Zulus im Sommer 1990 trübten auch das Vertrauen zwischen Mandela und Tutu einerseits und de Klerk andererseits. Erst recht, als ans Licht kam, dass der immer noch mächtige Geheimdienst hinterrücks die Inkatha unterstützte. Mit Waffenlieferungen, Militärtrainings, Vorwarnungen, dem Dirigieren nächtlicher Aktionen schürte eine "dritte Macht" aus Teilen von Polizei, Geheimdienst und Armee den Konflikt der Inkatha mit dem ANC, um so eine politische Unmündigkeit der Schwarzen vorführen zu

können: Bitte, die kriegen es eben doch nicht hin!



Misstrauen und Frust folgen in jenen Monaten auf die Euphorie des Jahresbeginns. De Klerk selbst beteuert, er habe damals die versammelte Polizeispitze angewiesen, sich "aus der Politik herauszuhalten". Belegbare Straftaten habe er stets geahndet. Nach Einschätzung des damaligen britischen Botschafters in Südafrika, Robin Renwick, wusste de Klerk tatsächlich nicht, dass das Chaos ein Resultat der Aktivitäten der Sicherheitskräfte gewesen sei: "Sein Fehler war, dass er nie zu sagen bereit war, dass er keinesfalls die vollständige Kontrolle über sie hatte." Der Präsident habe nicht einfach 85 Generäle entlassen können - "und das war die Ursache all seiner Probleme".



Es mag also als ein historischer Glücksfall durchgehen, dass die Gewalt nicht zu einem Scheitern des Friedensprozesses führte. Nach den ersten freien Wahlen 1994 übergab de Klerk die Macht an Mandela. Auch lange Zeit danach redeten sie sich noch gegenseitig mit "Herr Präsident" an; inzwischen nennen sich die Nobelpreisträger des Jahres 1993 "FW" und "Madiba". Und trotz mancher Ungereimtheit in den bewegten Monaten des Wendejahres 1990: Als "Kanzler der Einheit" kann sich de Klerk heute mit einer Zigarette zurücklehnen wie einer, der seinen Platz in der Geschichte hat.