Die katholische Kirche plant eine weltweite Evangelisierung

Wider die Gottvergessenheit

Die katholische Kirche hält angesichts der fortschreitenden religiösen Ermüdung und Entfremdung in Ländern mit alter christlicher Tradition eine neue Evangelisierung für dringend erforderlich. Dabei gehe es nicht um ein neues Evangelium, sondern um eine neue Verkündigung des Glaubens, heißt es in dem Vorbereitungspapier für die Weltbischofssynode 2012.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Das Papier wurde am Freitag im Vatikan veröffentlicht. Mit diesen "Lineamenta" richtete das Sekretariat der Bischofssynode zugleich einen Fragebogen an alle Bischofskonferenzen und katholischen Institutionen der Welt, dessen Antworten bis zum 1. November 2011 zurückerbeten werden und in die inhaltlichen Planungen für die Synode eingehen sollen. Die 13. Ordentliche Bischofssynode vom 7. bis 28. Oktober des kommenden Jahres steht unter dem Leitwort: "Die neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens".



Neben der klassischen Missionsarbeit in Regionen, in denen das Christentum noch unbekannt ist, müsse die Kirche heute vor allem die Menschen in den Blick nehmen, die sich wieder von der Kirche entfernt haben. Als Gründe und Felder dieser Entfremdung nennt das Vorbereitungspapier zunächst die Säkularisierung. Sie äußere sich heute weniger in einer direkten Absage an Gott, Religion oder Christentum, sondern in einer Mentalität, in der Gott "ganz oder teilweise von der menschlichen Existenz oder dem menschlichen Bewusstsein abwesend ist".



Auch unter Christen gebe es heute Konsumdenken und Genussstreben, Oberflächlichkeit, Egoismus und einen Kult des Individuums. "Das Risiko, auch die elementaren Grundlagen der Grammatik des Glaubens zu verlieren, ist real, mit der Gefahr, in eine geistliche Atrophie und eine Leere des Herzens zu geraten, oder stattdessen in Ersatzformen religiöser Zugehörigkeit oder einen vagen Spiritualismus", heißt es in der Situationsanalyse.



"Skandale offen benennen"

In manchen Weltgegenden beobachte man heute eine vielversprechende Wiedergeburt des Religiösen, heißt es weiter. Jedoch entarte diese mitunter in einen Fundamentalismus, der nicht selten die Religion manipuliere, um Gewalt und Terrorismus zu rechtfertigen. Weitere Einflüsse auf die Religion ergäben sich durch die Migrationsbewegungen, aber auch durch die Medien und durch die Finanz- und Wirtschaftskrise der globalisierten Welt. Zudem hätten die technologische Entwicklungen sowie die großen Veränderungen in der Politik der letzten Jahrzehnte ihre Auswirkungen. Dabei seien ganz besonders auch neue Akteure wie der erstarkende Islam zu berücksichtigen.



Die Weitergabe des Glaubens sei zu allen Zeiten eine Aufgabe für die gesamte Kirche und für jeden einzelnen Christen, fahren die "Lineamenta" fort. Es dürfe der Kirche bei einer neuen Evangelisierung nicht nur um neue Kommunikationsstrategien gehen. Es gehe auch nicht nur um eine Verdopplung oder einfache Wiederholung der ersten Evangelisierung, sondern um einen neuen Rückgriff auf die Quellen und Wurzeln des Glaubens. Gefragt seien Mut, auch neue Wege zu wagen und den Glauben zu bezeugen. Es gehe um das Hinterfragen von Lebensstilen und Strukturen. Dazu gehöre auch der Mut, "Skandale offen zu benennen", heißt es in dem Papier.



Die Kirche müsse sich in neuer Weise "über den Sinn ihrer Tätigkeit im Bereich der Verkündigung und der Weitergabe des Glaubens befragen". Die neue Evangelisierung sei ein "Synonym für den geistlichen Aufbruch des Glaubenslebens in den Ortskirchen"; damit bedeute sie auch "die Übernahme neuer Verantwortungen und neuer Energie im Hinblick auf die freudige und ansteckende Verkündigung des Evangeliums".