Papst nimmt Rücktritt von Kardinal Sterzinsky an

Es geht nicht mehr

Der Papstbesuch im September wäre die Krönung seiner bischöflichen Amtszeit geworden. Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky hatte sich darauf eingestellt, dass Benedikt XVI. sein bereits eingereichtes Rücktrittsgesuch bis dahin nicht annehmen würde. Doch nach der dramatischen Verschlechterung von Sterzinskys Gesundheitszustand nahm das Kirchenoberhaupt jetzt das Gesuch an.

 (DR)

Ein neuer Erzbischof wird nach den Vorgaben des Preußenkonkordats unter Beteiligung der Ortskirche vom Papst ernannt. Beobachter gehen davon aus, dass Benedikt XVI. die Nachfolge innerhalb weniger Monate regeln will. Der Papst wird am 22. September zu seinem ersten offiziellen Deutschlandbesuch in Berlin erwartet.



Gemäß den rechtlichen Vorgaben übernimmt zunächst Weihbischof Matthias Heinrich die Amtsgeschäfte. Er muss innerhalb von acht Tagen das Domkapitel einberufen, das dann einen Diözesanadministrator wählt. Dieser leitet das Erzbistum kommissarisch, bis ein neuer Bischof ernannt wird. Er darf keine Entscheidungen treffen, die den neuen Erzbischof binden.



Wowereit würdigt Sterzinsky

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) würdigte die Verdienste Sterzinskys, der als Erzbischof den Katholizismus in Berlin geprägt und in der Stadt einen tiefen Eindruck hinterlassen habe. Er wünschte ihm von Herzen gute Besserung.



Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin, Wolfgang Klose, dankte Sterzinsky für dessen verdienstvolles Wirken. "Georg Kardinal Sterzinsky war als Erzbischof von Berlin für uns Laien ein wichtiger Gesprächs- und Bündnispartner, der immer ein offenes Ohr für unsere Anliegen hatte", sagte Klose. Er habe die synodalen Strukturen der Kirche geachtet und den Laien stets große Wertschätzung entgegengebracht.



Ausdrücklich dankte Klose dem Erzbischof für dessen großes Engagement für Migranten und Flüchtlinge. Sterzinsky habe nie die laute Medienpräsenz gesucht, dafür immer "leibhaftige Solidarität" mit den Benachteiligten und Schwächeren der Gesellschaft geübt.



Nachfolger Meisners--
Kurz vor seinem 75. Geburtstag hatte sich der Berliner Erzbischof zwei schweren Magenoperationen unterziehen müssen. Anschließend versetzten ihn die Ärzte ins künstliche Koma. Eine grundlegende Besserung stellte sich jedoch nicht ein. Es wurde immer ungewisser, ob der Kardinal nach Johannes Paul II. 1996 ein zweites Mal einen Papst in Berlin begrüßen kann. Mit seiner Entscheidung beendete Benedikt XVI. nun die Spekulationen.



Sterzinskys Abschied vom bischöflichen Dienst verlief so turbulent wie sein Amtsantritt. Nur wenige Wochen vor dem Fall der Mauer wurde er 1989 Nachfolger des nach Köln berufenen Kardinals Joachim Meisner an der Spitze des politisch damals noch geteilten Bistums Berlin. Es folgten über 20 kräftezehrende Jahre.



Desolate Haushaltslage

Als Berliner Erzbischof war Sterzinsky wie kein anderer seiner Amtsbrüder mit den Chancen und Problemen der Wiedervereinigung konfrontiert. Das Ende der DDR ermöglichte es ihm, die - kirchenrechtlich nie getrennten - rund 400.000 Katholiken in Berlin, Brandenburg und Vorpommern auch tatsächlich wieder zusammenzuführen. Nicht immer gelang es dabei, die durch Mauer und Stacheldraht 28 Jahre getrennten Kirchengemeinden wiederzuvereinen. Und bis zuletzt war Sterzinsky immer wieder herausgefordert, Vorurteile in Ost und West abzubauen.



Als seine schwierigste Aufgabe erwies sich jedoch die desolate Haushaltslage der 1994 zum Erzbistum erhobenen Diözese, die auch eine Folge der teilungsbedingten Doppelstrukturen in der Kirchenverwaltung war. Als die Finanzmisere zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts in aller Schärfe offenbar wurde, leitete Sterzinsky eine durchgreifende Strukturreform ein. Gemeinden wurden zusammengelegt, Kirchengebäude verkauft, Angestellte entlassen. Die Maßnahmen griffen, und die Verbindlichkeiten wurden von anfangs 114 Millionen Euro - auch mit Hilfe der anderen deutschen Bistümer - erheblich reduziert.



Über das Erzbistum hinaus machte sich Sterzinsky nicht nur durch den Sanierungskurs einen Namen. In der Deutschen Bischofskonferenz leitete er die Kommission für Ehe und Familie sowie die Unterkommission "Frauen in Kirche und Gesellschaft". Zudem war er stellvertretender Vorsitzender der Migrationskommission. Besonders zu diesen Fragen meldete er sich in der gesellschaftlichen Debatte zu Wort, trat für eine bessere Familienförderung sowie die Rechte von Asylsuchenden und Flüchtlingen ein. Im Rahmen des Volksbegehrens "Pro Reli" warb er - vergeblich - für eine Aufwertung des Religionsunterrichts in Berlin.



Aussöhnung mit Polen

Das Verhältnis zu Polen lag dem gebürtigen Ostpreußen besonders am Herzen. Immer wieder engagierte er sich für die deutsch-polnische Versöhnung. Bei diesem Thema konnte er aus persönlicher Betroffenheit sprechen. Als Zehnjähriger musste er seine Heimat verlassen und wuchs in Thüringen auf. Nach Theologiestudium und Priesterweihe in Erfurt war er unter anderem Seelsorger in Eisenach, Heiligenstadt und Jena, bevor ihn der Erfurter Bischof Joachim Wanke

1981 zu seinem Generalvikar berief.



Sterzinskys Verdienste erfuhren auch hohe staatliche und kirchliche Anerkennung. Im Jahr 2000 erhielt er das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, die zweithöchste Auszeichnung der Bundesrepublik. Bereits 1991 berief Papst Johannes Paul II. ihn ins Kardinalskollegium.



Dabei blieb Sterzinsky eher ein Mann der leisen Töne. Er mied Auftritte in Talkshows, suchte lieber das persönliche Gespräch - gemäß seinem Leitwort "Deus semper maior - Gott ist immer größer".