Rückläufige Einnahmen, Mitgliedszahlen und der Priestermangel

Hauptstadtbistum in Sorge

Das Erzbistum Berlin durchlebt schwierige Tage. Kardinal Georg Sterzinsky liegt nach zwei Operationen schwerkrank in der Klinik, eine Besserung seines Gesundheitszustands zeichnet sich nicht ab. An seinem 75. Geburtstag fehlt dem Hauptstadtbistum der Mann, der es in den vergangenen gut 20 Jahren wesentlich prägte. Die Amtsgeschäfte führt derzeit Generalvikar Ronald Rother.

Autor/in:
Gregor Krumpholz und Birgit Wilke
 (DR)

Ein in Ost und West geteiltes Bistum

Am 9. September 1989 hatte Sterzinsky sein Bischofsamt angetreten. Nur zwei Monate später fiel die Mauer, und er stand vor der Herausforderung, das faktisch in Ost und West geteilte Bistum durch die Zeit der Wende und Wiedervereinigung zu führen. Dass bei der Zusammenführung etwa wegen der doppelten Kirchenstrukturen finanziell manches aus dem Ruder lief, schob er nicht auf andere, sondern übernahm selbst dafür die Verantwortung.



Sterzinsky schlug einen harten Sparkurs ein, der kirchenintern unter anderem wegen der damit verbundenen Stellenstreichungen auf manche Widerstände stieß. Doch der Erfolg gab dem Erzbischof Recht. Nach Abbau eines Schuldenbergs von 114,5 Millionen Euro ist das Erzbistum heute weitgehend saniert. Ohne die kräftige Finanzspritze von 30 Millionen Euro der anderen Bistümer wäre dies zwar nicht möglich gewesen, allerdings war Sterzinskys Sparwille wohl mitentscheidend für diesen Solidaritätsbeitrag.



Netz der Seelsorge wird weitmaschiger

Weiter im Fluss ist die Reform der Gemeindestrukturen. Rückläufige Einnahmen und Kirchenmitgliedszahlen, vor allem aber der Priestermangel machen es erforderlich, dass das Netz der Seelsorge weitmaschiger wird. Auch hier stoßen Anpassungsdruck und Beharrungskräfte aufeinander, und in etlichen Fällen war deshalb das Machtwort des Bischofs vonnöten. Dass Sterzinsky in den vergangenen Jahren zunehmend mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte, machte es ihm sicherlich nicht leichter.



Nach den Turbulenzen um den aus kirchlicher Sicht nicht erfolgreichen Volksentscheid "Pro Reli" zur Gleichstellung des Religionsunterrichts haben sich in Berlin in den vergangenen beiden Jahren die Wogen auf politischer Ebene wieder geglättet. Mit dazu beigetragen haben mag, dass Sterzinsky im Vergleich zum früheren evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber ein entspannteres Verhältnis zum Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nachgesagt wird, auch wenn es immer noch keinen Staatsvertrag mit der katholischen Kirche gibt.



"Berliner Dialog der Religionen"

Im Jahr der Abgeordnetenhauswahl geht Wowereit, der selbst katholisch ist, sogar auf die Religionsgemeinschaften zu. Im Januar eröffnete er einen "Berliner Dialog der Religionen", bei dem er den Religionen bescheinigte, viel zur Weltoffenheit der Metropole beizutragen. Das Erzbistum sitzt mit am Tisch. Ebenso bei der Kommission von Senat und Kirchen, die über den Erhalt der rund 300 christlichen Sakralbauten in der Hauptstadt berät.



Trotzdem muss Berlins katholische 9-Prozent-Minderheit, ebenso wie die anderen Christen, auch mit kirchenfeindlichen Äußerungen aus dem linken Lager rechnen. Im Vergleich dazu entwickelte sich das Staat-Kirche-Verhältnis in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ungleich entspannter, zu denen Teile des Erzbistums gehören.



Blick auf den Papstbesuch im September

Die drängendste Frage stellt sich dem Erzbistum aber mit Blick auf den Papstbesuch im September. Bislang ging Rom offenbar davon aus, dass Sterzinsky Benedikt XVI. als Oberhaupt der Ortskirche in Berlin begrüßen wird. Der Kardinal ließ jedenfalls durchblicken, dass er deshalb trotz seiner geschwächten Gesundheit mit einer Verlängerung seiner Amtszeit über den 75. Geburtstag hinaus rechnet. Dies scheint derzeit jedoch ungewiss. Mit Spannung erwartet das Erzbistum deshalb die Entscheidung des Papstes zu dem Rücktrittsgesuch, das Sterzinsky gemäß dem Kirchenrecht einreichte.