Erzbischof Jozef Zycinski ist gestorben

Trauer um einen markanten Kirchenmann

Polen trauert um einen der markantesten Kirchenführer des Landes, den Lubliner Erzbischof Jozef Zycinski. Der Erzbischof galt als prominentester Vertreter des reformorientierten, liberalen Flügels im Episkopat. Deswegen fragen sich einige Polen, welche Folgen sein Tod für den Kurs der Kirche im Land haben wird.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Darauf spielte selbst Staatspräsident Bronislaw Komorowski in seinem Nachruf an. Zycinski werde besonders denjenigen fehlen, die sich eine polnische Kirche wünschten, in der sich der traditionelle Glauben mit dem "Traum von einer modernen und offenen Gesellschaft" verbinden lasse, stellte der rechtsliberale Politiker fest.



Innerhalb der polnischen Kirche mit mehr als 130 Bischöfen bildet sich ein breites Meinungsspektrum ab. Weltoffene und pro-europäische Bischöfe treffen auf sich abschottende, nationalklerikale Kollegen, und dazwischen schwankend - die Traditionellen. Stark vereinfacht sehen Beobachter eine Spaltung zwischen der reformorientierten Kirche von Krakau und der fundamentalistischen Strömung von Torun (Thorn). Mit Torun ist das ultrakonservative katholische "Radio Maryja" gemeint. Krakau steht für die liberale Wochenzeitung "Tygodnik Powszechny", deren Kolumnist Zycinski war. Die Mehrheit der Bischöfe und der Episkopats-Vorsitzende Erzbischof Jozef Michalik werden dem konservativen Flügel zugerechnet.



Zycinski war einer der wichtigsten Förderer des Dialogs mit anderen Religionen. So lud er etwa Rabbinerstudenten aus Deutschland zu einer jüdisch-katholischen Dialogveranstaltung nach Lublin ein. Wiederholt bekannte er, die Kirche Polens sei nach dem Zweiten Weltkrieg nicht ausreichend gegen Antisemitismus aufgetreten.



Zuletzt warb er besonders für die Aussöhnung mit Russland. Er rief dazu auf, die Gräber der Soldaten der Roten Armee in Polen besser zu pflegen. Zycinski verlangte zudem, bei Problemen zwischen Polen und Russland die Schuld nicht nur auf der anderen Seite zu suchen.



Gegen eine zu starke Einmischung der Kirche

Entschieden wandte sich der Oberhirte gegen eine zu starke Einmischung der Kirche in die Politik. "Wir wissen nicht, welcher Kandidat Gott mehr gefällt", sagte er vor der Präsidentenwahl im vergangenen Sommer. Zudem warnte er davor, den bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Staatspräsidenten Lech Kaczynski zum Märtyrer zu erklären, was sich vor allem gegen dessen Zwillingsbruder und Oppositionsführer Jaroslaw richtete. Der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz sprach indes von einem "Heldentod" Lech Kaczynskis, weil dieser auf dem Weg zu einer Gedenkfeier für die polnischen Opfer eines sowjetisches Massaker an Polen starb.



Der am 1. September 1948 in Zentralpolen geborene Zycinski war seit 1997 Erzbischof von Lublin. Er war zudem Großkanzler der größten katholischen Universität des Landes, der Johannes-Paul-II.-Universität Lublin, und Mitglied der vatikanischen Bildungskongregation sowie des päpstlichen Kulturrats. Papst Johannes Paul II. lud ihn einige Male zu Treffen mit Philosophen in seine Sommerresidenz Castel Gandolfo ein. Polens Primas fasste zusammen, die Kirche des Landes habe einen "Bischof von großem Geist und Intellekt" verloren.



Zycinski starb am Donnerstagnachmittag im Alter von 62 Jahren in einem Hotel in Rom wahrscheinlich an einem Herzinfarkt, wie der Lubliner Weihbischof Mieczyslaw Cislo am Freitag mitteilte. Mehrere Kirchenvertreter und Medien würdigten Zycinski als "größten Intellektuellen unter den polnischen Bischöfen".