Runder Tisch Missbrauch für Stärkung der Opferrechte

Raus aus der Tabuecke

"Das Tabu, über sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen zu sprechen, wurde gebrochen." Mit diesen Worten haben die Ministerinnen Leutheusser-Schnarrenberger, Schavan und Schröder ihr drittes Treffen des Runden Tisch Missbrauch beendet. Das Gremium hat seinen Zwischenbericht vorgelegt und empfiehlt eine Stärkung der Rechte der Opfer.

 (DR)

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Bildungsministerin Annette Schavan und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU), die den Runden Tisch gemeinsam leiten, zogen eine positive Bilanz. Erste Bausteine seien umgesetzt. Dazu zähle ein verbesserter Opferschutz, Standards zur Vorbeugung und Verhinderung von sexuellem Missbrauch in Schulen, Kindergärten und Vereinen sowie der Aufbau eines Forschungsnetzwerks, für das aus dem Forschungsetat 30 Millionen Euro bereitgestellt werden, erklärten sie.



Deutliche Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist

Im Mittelpunkt des Treffens stand ein Gesetzentwurf zur Stärkung der Rechte der Opfer, der unter Leitung von Leutheusser-Schnarrenberger erarbeitet worden ist. Vorgesehen ist eine deutliche Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei auf 30 Jahre. Sie gilt für Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt 20 Jahre von der Volljährigkeit des Opfers an und soll nicht ausgeweitet werden.



Der Gesetzentwurf zielt außerdem auf mehr Schutz und Unterstützung für die Opfer. Die Betroffenen dürften unter keinen Umständen im Strafverfahren ein zweites Mal zu Opfern werden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Insbesondere minderjährigen Missbrauchsopfern sollen Doppelvernehmungen erspart werden, indem Ermittlungsverfahren verstärkt per Videovernehmungen geführt werden.



Opferanwält auf Staatskosten

Die Bestellung von Opferanwälten auf Staatskosten soll erleichtert werden und schließlich sollen Missbrauchsopfer auf Wunsch besser informiert werden, wenn Täter aus der Haft entlassen werden oder Vollzugslockerungen bekommen. Bisher ist nur vorgesehen, dass sie von erstmaligen Veränderungen erfahren.



Umstritten sind in der zuständigen Arbeitsgruppe weiterhin die geplanten Leitlinien für die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden. Leutheusser-Schnarrenbergers Ziel ist eine Selbstverpflichtung, wonach Institutionen Informationen über Fälle möglichen Missbrauchs schnell an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.



Keine Vertuschung von Straftaten

Damit soll die Vertuschung von Straftaten verhindert werden. Dies sei im Interesse der Institutionen selbst, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger. Sie sei zuversichtlich, dass ihre Arbeitsgruppe sich bis Anfang 2011 verständigen werde.



Familienministerin Schröder sagte, sie wolle die wesentlichen Ergebnisse aus den bisherigen Diskussionen im Bundeskinderschutzgesetz aufgreifen. "Damit wird für die öffentlichen Träger in der Kinder- und Jugendhilfe zur Pflicht, fachliche Standards zum Kinderschutz zu entwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen", so die CDU-Politikerin.





Abschlussbericht für Ende 2011 geplant



Nach Schavans Worten fördert ihr Ministerium ein "Forschungsnetz Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt - Ursachen, Folgen, Prävention und Therapie" mit 20 Millionen Euro. Weitere Projekte für einen besseren Kinderschutz sowie die Aus- und Weiterbildung zum Umgang mit Missbrauchsfällen würden mit zehn Millionen Euro unterstützt.



Am Runden Tisch sitzen Vertreter der Bundesregierung sowie aus dem Bildungswesen, aus den Kirchen, Sozialverbänden und Opferverbänden zusammen, um über Konsequenzen aus den zahlreich bekanntgewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs zu beraten. Das Gremium will seine Arbeit im kommenden Jahr fortsetzen und Ende 2011 einen Abschlussbericht vorlegen. In ihn sollen auch die Empfehlungen der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann, einfließen, die ihre Halbjahresbilanz zur telefonischen Anlaufstelle in der vergangenen Woche vorgestellt hatte.