Debatte um Einheitsrede von Wulff hält an

„Wir sollten uns hüten, alles in einen Topf zu werfen“

Die Diskussion nach der Rede von Bundespräsident Wulff zu 20 Jahre Wiedervereinigung hält an. Nach den Hamburger Weihbischof Jaschke warnt auch sein Kölner Amtskollege Heiner Koch im Interview mit domradio.de vor einer Gleichsetzung von Christentum und Islam in Deutschland. Der ehemalige EKD-Vorsitzende Huber fordert eine Grundsatzdebatte.

Weihbischof Koch und Ayyub Axel Köhler vom Zentralrat der Muslime / © Robert Boecker (DR)
Weihbischof Koch und Ayyub Axel Köhler vom Zentralrat der Muslime / © Robert Boecker ( DR )

Bundespräsident Christian Wulff habe Recht, wenn er muslimische Bürger als Teil Deutschlands bezeichne, sagte Koch am Dienstag (05.10.2010) in Köln. Eine Gleichstellung von Judentum, Christentum und Islam sei aber "schon aus historischen und gegenwärtig kulturellen Gründen maßlos übertrieben". Das Christentum habe Deutschland geprägt. "Es hat aber vor allen Dingen das Denken der Deutschen mitgeprägt: Grundwahrheiten und -werte, wie wir sie etwa im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wiederfinden, sind stark christlich geprägt. Nach dem Zweiten Weltkrieg etwa war es für die Väter des Grundgesetzes völlig klar, dass sie hier ein Grundgesetz schaffen wollten, das auf dem christlichen Gedankengut aufbaut." (Das Interview mit Weihbischof Koch)



Ähnlich äußerte sich der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Deutschland sei immer noch stark von der christlichen Kultur geprägt, "und ich kämpfe dafür, dass wir diese nicht preisgeben", sagte er im Interview mit domradio.de am Montag. Die Muslime müssten "die gewachsene Mehrheitskultur in unserem Land respektieren". Trotzdem sei es ein wichtiges Zeichen, "dass der Bundespräsident den Muslimen die Hand reicht". Zur Einheit gehöre die innere Einheit, auch mit der Gruppe der Muslime.



Altbischof Huber will Diskussion über Gestalt des Islam

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat unterdessen dazu aufgefordert, mit den Muslimen in Deutschland offen darüber zu diskutieren, welche Gestalt der Islam haben soll, der auf Dauer zu Deutschland gehören könne. Die Feststellung von Bundespräsident Christian Wulff, dass der Islam zu Deutschland gehöre, müsse als Aufgabenbeschreibung verstanden werden, sagte Huber im Deutschlandradio Kultur. Dann könne die Diskussion auch als gutes Gegenmittel gegen Rechtspopulismus wirken.



Wenn die Worte des Bundespräsidenten die notwendige Debatte beförderten, dann hätten sie einen guten Dienst geleistet, sagte Huber. "Dazu muss man auch sehen, dass die Formel, der Islam gehört zu Deutschland, eigentlich eine Aufgabe beschreibt und nicht etwa eine Feststellung eines schon erreichten Zustands ist." Der Theologe warnte davor, diese Worte als "Beruhigungspille" falsch zu verstehen.



Wulff hatte in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit am Sonntag in Bremen zu mehr Toleranz gegenüber Einwanderern aufgerufen. Zwar seien Christen- und Judentum "zweifelsfrei" Bestandteil der deutschen Kultur, so der Bundespräsident. "Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland." Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) bezeichnete Wulffs Rede als "wichtiges Signal". Er habe gezeigt, dass Muslime nicht Bürger zweiter Klasse seien, so der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek in der "Bild"-Zeitung.



Zustimmung

Zustimmung erntete das Staatsoberhaupt von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Das historische und kulturelle Fundament Europas beruht zweifelsohne auf klassisch griechisch-romanischen Einflüssen sowie auf dem christlichen Erbe, aber auch auf dem Islam", erklärte sie am Dienstag in Berlin.



Statt einem Konflikt der Kulturen das Wort zu reden, sei eine sachliche Debatte darüber notwendig, wie alle Teile der Bevölkerung - egal, welcher Religion sie angehören oder auch nicht - gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben könnten. Bei seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit hatte Wulff erklärt, der Islam gehöre inzwischen ebenso zu Deutschland wie das Christentum und das Judentum.



Lob erhielt Wulff auch vom EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider. Der Bundespräsident habe "nüchtern, sachlich und gelassen die deutsche Wirklichkeit beschrieben", meinte Schneider in Hannover. Zudem unterstützte er Wulffs Bekräftigung, wer die Werte des Landes missachte, müsse mit entschlossener Gegenwehr rechnen.




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