Weihbischof Heiner Koch zur Rolle des Islam in Deutschland

"Eine Gleichstellung ist maßlos übertrieben"

Der Kölner Weihbischof Heiner Koch warnt im Interview mit domradio.de vor einer Gleichsetzung von Christentum und Islam in Deutschland.

 (DR)

domradio.de: Hat der Bundespräsident Recht? Gehört der Islam ebenso zu Deutschland wie das Christentum und das Judentum?

Koch: Die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland. Und mit ihnen ihre Religion. Und die Religionsfreiheit und das Recht, das wir als Christen ausdrücklich fördern, ihre Religion auszuüben. Zweifelsohne ist aber eine Gleichstellung von Judentum, Christentum und Islam schon aus historischen und gegenwärtig kulturellen Gründen maßlos übertrieben. Das Christentum hat Deutschland geprägt, hat viele Punkte in der Geschichte mitbewirkt. Es hat aber vor allen Dingen das Denken der Deutschen mitgeprägt: Grundwahrheiten und -werte, wie wir sie etwa im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wiederfinden, sind stark christlich geprägt. Nach dem Zweiten Weltkrieg etwa war es für die Väter des Grundgesetzes völlig klar, dass sie hier ein Grundgesetz schaffen wollten, das auf dem christlichen Gedankengut aufbaut.



domradio.de: Der Islamwissenschaftler Gerd-Rüdiger Puin hat die Rede als Wunschdenken bezeichnet. Er vermisse auch eine kritische Haltung gegenüber dem Islam. Gibt es Bereiche und Lebenseinstellungen, bei denen Sie sagen: Hier kann der Islam in seiner derzeitigen Form nicht zu Deutschland gehören?

Koch: Noch einmal: Die muslimischen Menschen, ihre Gedanken und Überlegungen gehören zu Deutschland. Das ist völlig klar. Aber wir müssen in einen offenen Dialog treten. Auch wir als Christen mit den Muslimen. Und die Muslime mit der deutschen Gesellschaft. Da habe ich erhebliche Anfragen, inwieweit da manche Dinge überhaupt kompatibel sind. Beispiel: Das Verhältnis von Religion und Staat, was nach dem Koran ein ganz eindeutiges Unterverhältnis des Staates gegenüber der Religion ist; die Rechte der Freiheit des Menschen, etwa Religionsfreiheit. Wir müssen ja nur in muslimische Staaten schauen und sehen, wie begrenzt die Religionsfreiheit da ist, etwa inwieweit die Konversion von Muslimen zum Christentum ermöglicht ist. Dann die Frage des Familienrechts oder der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Da müssen wir in einen offenen Dialog treten. Ich bin deutlich dagegen, dass gerade in der Nachfolge der Diskussion um Sarrazin jetzt alles daran gesetzt wird nach dem Motto: Jetzt müssen wir schnell schauen, dass wir möglichst alles in eine heile, unkomplizierte, sanfte Welt hineinbekommen, nach dem Motto Es ist alles gut, es ist alles gleichwertig. Das wäre auch eine Missachtung der Werte des Islam, die schlicht und ergreifend eben auch eckig und kantig sind und auch Widerspruch manchmal provozieren.



domradio.de: Bundespräsident Wulff hat auch dazu aufgerufen, die Integration der Muslime in Deutschland weiter voranzutreiben. Wie muss diese Integration aussehen?

Koch: Da gibt es eine ganze Reihe von Punkten. Es muss einen Dialog geben, ein Gespräch. Hier im Bistum Köln führen wir dieses Gespräch schon seit 50 Jahren über das Referat Interreligiöser Dialog. Wir haben Vieles voneinander gelernt, auch unsere Hochachtung vor vielen frommen, gottgläubigen Muslimen. Da können wir als Christen manchmal auch nur von lernen. Muslime bringen uns auch Einiges bei: als Christen zum Beispiel die Fähigkeit, unseren Glauben zu sprechen und glaubwürdig zu leben.



Das GEspräch führte Hilde Regeniter. Hören Sie es hier in voller Länge nach.