Ostdeutschlands Christen geht es um mehr als den Kirchen-Soli

Frischer Wind aus neuen Ländern

Das «Ampelmännchen» und der «Grüne Pfeil» der DDR stehen immer ziemlich weit vorne bei der Frage, was der 3. Oktober 1990 dem Westen gebracht hat. Vor allem aber steht der «Soli», der Solidaritätszuschlag in der Steuererklärung. Auch für die beiden großen Kirchen waren die finanziellen Folgen tiefgreifend.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
 (DR)

20 Jahre nach der staatlichen Wiedervereinigung werden Ostdeutschlands Kirchen allerdings zunehmend zu gleichrangigen Partnern. Lange Zeit waren Geben und Nehmen auch bei den Kirchen klar zugeordnet: Bereits vor 1989 erhielten die evangelischen und katholischen Gemeinden in der DDR auf teils abenteuerlichen Wegen Geld und Sachspenden aus dem Westen. So half etwa das Bonifatiuswerk, das katholische Gemeinden und Einrichtungen in Minderheitenlage bis heute unterstützt, zwischen 1949 und 1990 nach eigenen Schätzungen mit insgesamt rund 230 Millionen Euro. Dabei reichte es auch Mittel der Deutschen Bischofskonferenz weiter.



Nach dem Ende der DDR erwies sich die Hilfe aus dem Westen weiter als unverzichtbar. Für die zumeist neu errichteten katholischen Bistümer lief sie - nun ganz offiziell - vor allem über den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD). Auch in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gibt es einen ähnlichen Finanzausgleich. Nur so konnten Bistümer und Landeskirchen im Osten ihre baufälligen Gebäude sanieren und die sprunghaft gestiegenen Personal- und Sachkosten tragen.



Sonderumlage wird schrittweise abgebaut

Die Einführung der Kirchensteuer reichte dafür bei weitem nicht aus. Für jeden dadurch eingenommenen Euro brauchen die östlichen evangelischen Landeskirchen einen weiteren aus dem Westen; auch die Ost-Bistümer können durch die Kirchensteuer ihre Etats nur zu 20 bis 30 Prozent selbst finanzieren.



Allerdings ist die Sonderumlage Ost des VDD nur als Anschubfinanzierung gedacht gewesen. Nach umgerechnet jährlich 120 Millionen Euro wird sie seit 15 Jahren schrittweise abgebaut. Tiefgreifende Strukturreformen wie Gemeindefusionen sollen nun auch im Osten die bundesweit rückläufigen Kircheneinnahmen ausgleichen; die Protestanten schließen sogar ganze Landeskirchen zusammen.



Die Wiedervereinigung brachte Ostdeutschlands Christen nicht nur ein umstrittenes Finanzierungssystem, dessen Einführung manche kirchliche "Karteileiche" zum Austritt bewog. Auch andere "West-Importe" sorgten für Unbehagen. So wollten sich ostdeutsche Protestanten lange nicht mit der engen Einbindung der Militärseelsorger in die Truppe abfinden. Katholiken misstrauten den - oft vergeblichen - Versuchen katholischer Verbände, Fuß zu fassen, weil sie dadurch eine Schwächung der Kirchengemeinden befürchteten.



Neue Formen der Verkündigung

Die Diasporasituation regt die Kirchen aber auch zu neuen Formen der Verkündigung an, die allmählich auch im Westen beachtet werden. So fand das in Erfurt entwickelte Modell einer ökumenischen Segnungsfeier für Paare am Valentinstag bundesweit Nachahmer, in Bayern auch die konfessionsübergreifenden "Tage Ethischer Orientierung" für Schüler in Mecklenburg-Vorpommern. Selbst die katholischen "Religiösen Kinderwochen" mit langjähriger DDR-Tradition gab es jetzt erstmals im Erzbistum Paderborn.



Ostdeutschlands evangelische Landeskirchen profilieren sich als historische Kernlande der Reformation. Daran erinnert die laufende Lutherdekade zum Reformationsjubiläum 2017 mit ihren vielen, weltweit ausstrahlenden Veranstaltungen in und um Wittenberg. Zugleich gibt es Unbehagen darüber, dass bis auf Mecklenburgs Andreas von Maltzahn heute alle ostdeutschen Landesbischöfe aus dem Westen stammen.



Doch es gibt auch den umgekehrten Weg. Katholischerseits soll mit dem aus Görlitz scheidenden Konrad Zdarsa ein Bischof aus dem Osten nun das nach dem Rücktritt von Walter Mixa aufgewühlte West-Bistum Augsburg in ein ruhigeres Fahrwasser bringen. Und auch jene zumeist jungen Christen, die berufsbedingt in den jeweils anderen Teil Deutschlands wechseln, sorgen in ihren neuen Gemeinden oft für frischen Wind.