Statistiker zeichnen Mitgliederschwund der Kirchen nach

Getrübte Einheitsfreude

Die Feier zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit hat für die großen Kirchen auch einen Wermutstropfen. Denn sie mussten seit 1990 deutliche Einbußen bei den Mitgliedern hinnehmen. Die Zahlen über die Religionszugehörigkeit in der Sonderveröffentlichung des Statistischen Jahrbuchs 2010 über "20 Jahre Deutsche Einheit - Wunsch oder Wirklichkeit" gehören für sie eher zur harten Realität.

 (DR)

Das am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Jahrbuch zeigt für die Entwicklung der Kirchen weiterhin deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Derweil können die jüdischen Gemeinden statistisch eine positive Entwicklung auf vielen Feldern verzeichnen. Die Muslime sind hingegen bislang aus systematischen Gründen nicht erfasst.



Nach dem Ende der atheistischen Sozialismus bekannten sich 1991 noch ein gutes Drittel der Menschen in der DDR zu einer Kirche. In Westdeutschland waren es vier von fünf: 24,2 Millionen Katholiken und 27,1 Millionen Protestanten. Im vereinigten Deutschland konnten die Protestanten mit insgesamt 29,2 Millionen Mitgliedern die Katholiken (28,2 Millionen) der Zahl nach zunächst überflügeln.



Protestanten stärker betroffen

Allerdings ging die Zahl der Kirchenmitglieder von seinerzeit 57,4 Millionen auf noch knapp 50 Millionen im Jahr 2008 zurück. Das sind noch gut 60 Prozent der Bevölkerung. Dabei traf die Einbuße durch Austritte, Sterbefälle und weniger Taufen die evangelische Kirche härter. In den neuen Ländern ging die Zahl der Katholiken um ein Viertel, jene der evangelischen Kirche sogar um 38 Prozent zurück. Im früheren Bundesgebiet büßte die evangelische Kirche zwölf Prozent ihrer Mitglieder ein, die katholische Kirche rund zehn Prozent. Damit liegen die Katholiken im gesamten Bundesgebiet zahlenmäßig wieder vorne.



Ein Ende der Entwicklung ist noch nicht absehbar. Im Berechnungsjahr 2008 verließen laut Statistik 121.155 Menschen die katholische Kirche. Allerdings traten zugleich 4.388 Gläubige ein und 9.546 nahm die Kirche wieder auf. Die Evangelische Kirche verzeichnete 169.728 Austritte und 56.506 Eintritte.



Aufwärtstrend bei jüdischen Gemeinden

Die jüdischen Gemeinden konnten nach Angaben der Statistiker in den vergangenen Jahren weiter einen bemerkenswerten Aufwärtstrend verzeichnen. Allein seit 2004 wuchs die Zahl der Gemeinden von 87 auf 108, die Zahl der Rabbiner von 32 auf 50, jene der Synagogen von 74 auf 95. Allerdings sank die Zahl der Mitglieder im selben Zeitraum etwas - von 105.733 auf 104.241.



Die Gemeinschaft der Muslime wuchs zwar in den vergangenen Jahrzehnten. Bislang liegen aber keine verlässlichen Statistiken vor. Der Grund: Der Islam kennt - anders als die rechtlich verfassten Kirchen - keine offizielle Mitgliedschaft. Schätzungen gehen von rund 3,5 Millionen Muslimen aus. Susanne Hagenkort-Rieger vom Statistischen Bundesamt will sich diese Zahl aber nicht zueigen machen. Denn entweder gingen diese Schätzungen von der Zahl der Zuwanderer aus muslimischen Ländern aus, ohne zu unterscheiden, wer sich wirklich zum Islam bekenne, oder sie beziehe sich auf die Mitglieder der Moscheevereine. Aber auch diese seien unzuverlässig, weil sich nicht alle Muslime erfassten.



Das Bundesamt will die Zahl der Muslime bei der 2011 anstehenden Volkszählung erfassen. Die Erfassung soll dabei auch nach Schiiten, Sunniten und Aleviten unterscheiden, so Hagenkort-Rieger. Offen ist somit nicht nur die genaue Zahl, sondern auch, welchen genauen Anteil Zuwanderung, Geburten oder Konversionen an der Zahl der Muslime hat. Damit fehlen auch Erkenntnisse über das Ausmaß der Säkularisierung unter den zugewanderten Muslimen.