USA erleben Welle der Islamfeindlichkeit

Vorurteile und Hassverbrechen

Die Welt ist empört über die geplante Koran-Verbrennung am 11. September in Florida. Die von einer Splittergruppe christlicher Fundamentalisten initiierte Aktion zum Jahrestag des Terrorangriffs auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Washington ist dabei nur der Gipfel der anti-islamischen Proteste in den USA.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Seit Wochen erlebt das Land eine Welle der Islamfeindlichkeit. Ausgelöst wurde sie durch den Plan einer muslimischen Kultur- und Begegnungsstätte in New York City in der Nähe von "Ground Zero", dem Ort des Anschlags. Diese Idee stieß bei vielen US-Bürgern auf vehemente Ablehnung. Die Gruppe "Stoppt die Islamisierung von Amerika" und andere Gegner wollen am Samstag gegen die "Ground Zero Moschee" demonstrieren. Dabei soll angeblich auch der niederländische Rechtspopulist und Islamkritiker Geert Wilders sprechen.



Muslime wollten an die Macht und setzten zu diesem Zweck auch Mord und Terrorismus ein, verkündete Pam Geller als Sprecherin der Moscheengegner. Man müsse auch Barack Obamas "Verbindungen zum Islam" enthüllen, verkündet sie auf ihrer Webseite. Und ein zähes Gerücht hält Geller am Leben: Vielleicht sei der Präsident ein Muslim.



Republikaner mit rechtspopulistischen Tönen

Konservative republikanische Politiker schlagen mit Blick auf die Kongresswahlen im November inzwischen rechtspopulistische Töne an, und schüren die Empörung über die angebliche Bedrohung durch den Islam. Ex-Präsident George W. Bushs Berater, Karl Rove, verglich in einem TV-Sender die Initiatoren des muslimischen Kulturzentrums am "Ground Zero" mit Neo-Nazis. Der republikanische Politiker Newt Gingrich sagte, das Projekt sei so verwerflich wie "ein Nazi-Schild neben dem Holocaust-Museum". Man müsse sicher stellen, dass kein US-Gericht amerikanische Gesetze durch Scharia-Gesetze ersetzen dürfe.



Gelegentlich schlägt anti-islamische Rhetorik in Taten um. In Manhattan wurde Ende August ein muslimischer Taxifahrer bei einem wohl religiös motivierten Messerangriff verwundet. In Tennessee zündeten Täter einen Bulldozer auf dem Bauplatz einer Moschee an. In Phoenix (Arizona) wurde eine im Bau befindliche Moschee verschandelt.



Gespräch über Hassverbrechen

Vertreter islamischer Verbände trafen in dieser Woche mit US-Justizminister Eric Holder zum Gespräch über Hassverbrechen zusammen. Noch nie seit dem 11. September 2001 sei es so wichtig gewesen, dass die Regierung einschreite, sagt Safaa Zarzour von der Islamischen Gesellschaft von Nordamerika.



Größtes mediales Echo erfährt Pastor Terry Jones mit seiner fundamentalistischen Gruppe in Gainesville im US-Staat Florida. Verbrennt er nun den Koran oder nicht? Jones von der "Dove World Outreach Center"-Kirche hat nicht nur Empörung, sondern auch Befürchtungen ausgelöst mit der Ankündigung, er werde Exemplare des "satanischen" Korans anzünden.



Beschämender Plan einer Mini-Gemeinde

US-Außenministerin Hillary Clinton warnt vor der Aktion. Es sei "bedauernswert", dass der "Pastor einer Kirche mit nicht einmal 50 Mitgliedern mit so einem ... beschämenden Plan die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehen kann", sagte Clinton am Mittwoch. Vertreter christlicher Kirchen verurteilten das Vorhaben und versuchten, Jones umzustimmen.



Selbst der Afghanistan-Kommandeur der NATO, General David Petraeus, und andere hochrangige Militärs schalteten sich ein: Extremisten in Afghanistan und in aller Welt würden die Aktion nutzen, um zur Gewalt anzustacheln, warnten sie. Die Verbrennung des heiligen Buchs könne das Leben der Soldaten am Hindukusch gefährden.



Koranverbrennung kann wohl nicht verboten werden

Eine Handhabe des Staates gegen die beabsichtigte Koran-Verbrennung gibt es in den liberalen USA wohl nicht. Jones" Aktion steht unter dem Schutz der US-Verfassung. Rede- und Religionsfreiheit gelten nahezu absolut, Staat und Religion sind strikt getrennt. So bleiben nur Appelle und Zeichen: Ein Veteranen- und Soldatenverband, die "Stiftung für Religionsfreiheit im Militär", will Spenden sammeln und davon Exemplare des Korans für afghanische Soldaten kaufen. Damit wollen sie deutlich machen, dass Jones nicht repräsentativ für die USA ist.



Imam Feisal Abdul Rauf verglich die anti-islamische Stimmung mit Anfeindungen, wie sie Juden und katholische Einwanderer in den Frühzeiten des protestantisch geprägten Amerika erlebt hätten. In den USA ist der Islam eine Minderheitenreligion. Ihr gehören etwa zwei Millionen bis drei Millionen Gläubige an.



Große Unwissenheit

Unter den Christen ist das Wissen über den Islam nicht sehr ausgeprägt. Nach Angaben des Meinungsforschungszentrum "Pew Research Center" sagen 55 Prozent der US-Bürger, sie wüssten nichts oder nicht viel über den Islam, 38 Prozent gaben an, sie hätten einen "negativen" Eindruck vom Islam.



Die Muslime versuchen unterdessen, keinen Anlass zur weiteren Eskalation zu bieten: Das Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan, das diesmal auf den 10. und 11. September fällt, soll eher verhalten gefeiert werden. Viele Muslime hielten das Fest eher klein aus Sorge, ihre nicht-muslimischen Landsleute würden es "missverstehen", sagt der Safaa Zarzour.