Die neue Aids-Politik am Kap erntet Lob und Skepsis - Pfarrer Hippler im Interview

Südafrika auf dem Prüfstand

Mit Lob konnten südafrikanische Regierungen auf einer Welt-Aids-Konferenz bisher nicht rechnen. Der Beifall für Vizepräsident Kgalema Motlanthe am Sonntag in Wien war ein Novum. Die eingeleitete Kehrtwende in der bisher zögerlichen Aids-Politik am Kap wird international anerkannt. Aids-Aktivisten im Land bleiben jedoch skeptisch. Im Interview: Stefan Hippler, Pfarrer am Kap.

Autor/in:
Saskia Wiha und Elvira Treffinger
 (DR)

domradio.de: Herr Hippler, wenn man an AIDS denkt, denkt man auch immer sofort an Afrika. Sie selbst leben und arbeiten ja dort. In Afrika stecken sich heute deutlich weniger Jugendliche mit dem AIDS-Erreger an als noch vor einigen Jahren. Woran liegt das und welche Fortschritte gibt es?
Stefan Hippler: Das liegt sicherlich einmal daran, dass die Behandlung besser geworden ist. Es können ja erheblich mehr Menschen behandelt werden als zuvor. Die Mutter-Kind-Übertragung ist zwar nicht gestoppt, aber zumindest ziemlich heruntergdrückt worden. Das heißt, es werden weniger Kinder HIV-positiv geboren. Und auch das Sexualverhalten ändert sich durchaus in einigen afrikanischen Ländern.  

domradio.de: Auch wenn die Zahlen rückläufig sind, in Afrika leben immer noch rund drei Viertel aller HIV-Infizierten. Entwarnung kann man mit Sicherheit noch nicht geben. Wie beurteilen Sie als Priester vor Ort denn den aktuellen Stand?
Stefan Hippler: Im südlichen Afrika ist das immer so ein Auf und Ab. Wir erleben im Fall von Uganda, das Anfang der 90er Jahre ja ein exemplarisches Beispiel für Erfolge in der HIV-Bekämpfung war, dass die Zahlen jetzt wieder steigen, weil man weniger tut. Sobald es in einem Land besser wird, meinen die Politiker und auch die Medizin, man könne etwas nachlässiger werden. Und das wird im HIV-Bereich sofort bestraft.

domradio.de: Man denkt wie gesagt bei AIDS sofort an Afrika. Aber man darf das Augenmerk nicht nur auf Afrika richten, es gibt jetzt auch andere AIDS-Krisenherde, die jetzt auch auf der Konferenz besprochen werden. Welche sind das?
Stefan Hippler: Richtig. Das ist Osteuropa und Russland. Man merkt, dass sehr viele Veranstaltung auf Russisch angeboten werden. Russland und die GUS-Staaten sind im Kommen. Wir haben in Russland zum Beispiel Gebiete, in denen die HIV-Infektionen um 700% gestiegen sind. Das sind v.a. Drogenabhängige, Menschen, die Nadeln benutzen, Bisexuelle, natürlich auch Prostituierte. Da wächst eine ganz neue Pandemie heran, auch weil Russland und die GUS-Staaten nicht gerade sehr offen mit dem Thema umgehen.

domradio.de: Die Behandlung von AIDS ist ja immer noch sehr teuer. Sollte da mehr in die Prävention gesteckt werden?
Stefan Hippler: Das bedingt sich gegenseitig. Ich war gestern bei einer Veranstaltung von Bill Gates. Es ist interessant: Prävention und Behandlung bedingen sich. Behandlung ist Prävention. Es gab da einen Vortrag von einer Forscherin aus Dänemark, die gezeigt hat: Je mehr Menschen in Behandlung sind, umso weniger Infektionen gibt es auf Dauer, weil diese Menschen den Virus nur ganz, ganz schwieirig weitergeben können.

domradio.de: Ein sehr sensibles Thema aus Kirchensicht ist ja der Einsatz von Kondomen. Die Verwendung ist laut Kirchenlehre nur in der Ehe erlaubt, wenn einer der Ehepartner mit dem Virus infiziert ist. Was glauben Sie: Wie lange kann sich  die katholische Kirche noch Widerstand gegen Kondome leisten. Wird der Druck nicht immer höher?
Stefan Hippler: Der Druck wird immer höher. Und Bischof Küng aus Österreich hat ja vor der Konferenz gesagt, dass wir eine Weiterentwicklung dieser Frage brauchen. Der Schutz des Lebens gilt auch für die, die sich nicht an die kirchliche Morallehre halten. Das steht außer Frage. Von daher hoffe und bete ich, dass der Widerstand bald aufhört.

domradio.de: Hoffnung ist ein gutes Stichwort. Bei solchen AIDS-Konferenzen hoffen immer alle auf die erlösende Meldung, dass es einen Impfstoff geben wird. Wie sind denn da die neuesten Meldungen und Erkenntnisse?
Stefan Hippler: Forscher und Aktivisten sind da nicht sehr positiv gestimmt, dass das in den nächsten Jahren passiert. Es gibt einige sehr interessante Entwicklungen in der Genforschung, dass man durchaus Wirkstoffe und Möglichkeiten hat, das Andocken des Virus an die weißen Blutkörperchen, wodurch die Infektion ja erfolgt, in 95% der Fälle verhindern kann. Bei Mäusen funktioniert das schon, ob es auch beim Menschen funktioniert werden wir sehen. Aber es wird mindestens noch zehn bis 20 Jahre dauern, bis es eine Impfung geben wird.

domradio.de: Was erhoffen Sie sich von dieser Konferenz? Welche wichtigen Impulse sollten von ihr ausgehen?
Stefan Hippler: Das Hauptthema dieser Konferenz ist Menschenrecht und HIV. Das ist eine ganz wichtige Frage. Wir haben gerade in Afrika zunehmend eine Kriminalilisierung von HIV. Es gibt Länder, in denen man bestraft werden kann, wenn man ungeschützten Geschlechtsverkehr hat, auch wenn man seinen HIV-Status gar nicht kennt. Es gibt sehr viele Reisebeschränkungen für HIV-Positive. Und nur wenn dieses Stigma gelöst wird, wenn Menschen offen über ihre Krankhheit reden können, wenn es keine Diskriminierung mehr gibt, dann kann man diese Pandemie in den Griff bekommen.