Merkel: Kirche verliert Glaubwürdigkeit nicht

Kanzlerin in der Wolfsburg

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat keine Sorge, dass die Kirche durch die gegenwärtige Diskussion über die Missbrauchsfälle als gesellschaftliche Institution unglaubwürdig wird. Merkel war am Dienstag zu Gast auf der Festveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen der Katholischen Akademie im Bistum Essen "Die Wolfsburg".

 (DR)

Die Kirche sei zu wirkungsvoll und in ihrer Geschichte zu mächtig, als dass man davor Angst zu haben brauche, sagte Merkel. Ihr müsse jedoch bewusst werden, dass ein Weg der Wahrheit und Klarheit die einzige Möglichkeit sei, mit den Missbrauchsfällen umzugehen. Darin werde die Politik die Kirche etwa durch den Runden Tisch für Missbrauchsfälle begleiten.

Merkel äußerte sich bei einer Podiumsdiskussion auf der Festveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen der Katholischen Akademie im Bistum Essen «Die Wolfsburg». Daran nahmen rund 500 Gäste aus Politik, Kirche, Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und Kultur teil. Unter ihnen waren der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, NRW-Schulministerin Barbara Sommer und Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (beide CDU).

Chancengleichheit für alle
In ihrer vorangegangenen Festrede hob Merkel die Bedeutung einer Chancengleichheit für alle als wesentlich für den sozialen Fortschritt in einer Gesellschaft hervor. Den Ordnungsrahmen für die politische Gestaltung liefere dabei die auf der katholischen Soziallehre basierende soziale Marktwirtschaft. Als wichtige Punkte nannte die Kanzlerin die Stärkung und den Schutz der Familie, lebenslange Bildung für alle und eine Integrationspolitik, die eine Bildung von Parallelgesellschaften verhindert.

Darüber hinaus sei es angesichts der demografischen Entwicklung unumgänglich, das Ehrenamt wesentlich zu stärken, so Merkel. Eine besondere Aufgabe und Chance biete sich dabei der Generation der 60- bis 80-Jährigen. Auch dürfe mit Blick auf die zukünftige Altersstruktur in Deutschland «die Vision Arbeit für alle» nicht aus den Augen verloren werden. Daneben sollte sich die Politik die Frage stellen, wie andere Staaten davon zu überzeugen sind, dass es globale Interessen etwa in der Umweltpolitik gebe, die dem Wohle aller Menschen dienten und deshalb koordiniert werden müssten.

Overbeck: Weltfinanzordnung nötig
Overbeck wies in seiner Rede ebenfalls auf die Notwendigkeit übergeordneter Regularien hin. Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise sei wieder neu ins öffentliche Bewusstsein getreten, «wie fragil das gute Miteinander und das Funktionieren unserer komplexen Systeme» ist. Eine Weltfinanzordnung nannte der Bischof «die eigentliche ordnungspolitische Aufgabe», die noch bewältigt werden müsse.

Der Bischof kritisierte ein Auseinandertreiben der Gesellschaft angesichts eines zunehmenden Pluralismus. Religiös seien modern-säkularisierte Gesellschaften nicht mehr zu integrieren, gab er zu bedenken. Aufgabe der Kirche müsse es sein, die Menschen in ihrem Bedürfnis nach Sinn nicht allein zu lassen. Ihre Vertreter müssten in Debatten über Menschenwürde und Gemeinwohl eintreten und einen gesellschaftlichen Konsens bemühen.

Bischof Hengsbachs Verdienst
Die katholische Akademie «Die Wolfsburg» wurde am 9. Juli 1960 vom damaligen Bischof Franz Hengsbach ihrer Bestimmung als zentrale Erwachsenenbildungsstätte des Ruhrbistums übergeben. Hier finden seither Fachveranstaltungen, Tagungen, Seminare und Kamingespräche statt. Sie lädt nach Worten ihres Direktors Michael Schlagheck ein zur Auseinandersetzung über wichtige Fragen des persönlichen, gesellschaftlichen, kirchlichen und politischen Lebens. Sie sucht Verständigung über Orientierungsmarken und bringt dabei die Stimme des gegenwartsbewussten christlichen Glaubens mit ein.