Kirche vermisst direktes Gespräch mit Bundesjustizministerin

Mal unter vier Augen

Seit dem Bekanntwerden der ersten Missbrauchsfälle an katholischen Einrichtungen gehört Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu den schärfsten Kritikern der Kirche. Von ihr forderte die Bundesjustizministerin zuletzt immer wieder "lückenlose Aufklärung" - allerdings ohne dabei das direkte Gespräch zu suchen, kritisiert nun Prälat Karl Jüsten. Im domradio.de-Interview ruft der Vertreter der Kirche in Berlin die FDP-Politikerin zum Vier-Augen-Gespräch auf. Außerdem spricht er über Ziele des nun beschlossenen Runden Tischs.

 (DR)

domradio.de: Wie beurteilen Sie den Runden Tisch?
Jüsten: Die Katholische Kirche hat die Idee der Ministerin sehr begrüßt, wir freuen uns auch sehr, dass sich die Bundesbildungsministerin der Sache angeschlossen hat. Das ist das richtige Forum, um das Problem anzugehen. Wir machen auch hervorragende Erfahrungen mit dem Runden Tisch zur Heimerziehung, der befasst sich ja auch vor allen Dingen mit Fällen aus der Vergangenheit. Der neue  Tisch ist ja mehr in die Zukunft gerichtet, mehr in Richtung Prävention: Was muss in unserem Land geschehen, damit Kindsmissbrauch in Zukunft vermieden wird? Das ist genau der richtige Ansatz.

domradio.de: Kann man schon sagen, wer teilnehmen wird für die Kirchen?
Jüsten: Das ist noch nicht entschieden, zumal noch keine formelle Einladung an uns ergangen ist. Erst dann werden wir entscheiden.

domradio.de: Was kann der Tisch konkret bewirken?
Jüsten: Wir haben verschiedene Problempunkte. Einmal in unseren Erziehungseinrichtungen, auch in unseren kirchlichen. Ganz besonders in den Familien. Da muss eine höhere Sensibilität her. Da müssen alle, die sich professionell mit Kindererziehung beschäftigen, sensibilisiert werden; mögliche Ideen für Frühwarnsysteme müssen entwickelt werden. In diese Richtung sollte es gehen.

domradio.de: Was halten Sie von längeren Verjährungsfristen bei Missbrauch?
Jüsten: Verlängerung von Strafen ist immer eine schwierige Fragestellung. Die Bundesjustizministerin hat ja darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn die Fälle sehr lange zurückliegen, das Erinnerungsvermögen der Leute an die Straftat auch etwas verblasst. Aber wir haben ja im Zusammenhang mit den Verjährungsfristen bei NS-Vergangenheit gemerkt, dass das geht. Das muss jetzt seriös überprüft werden, da sind wir ganz offen. Wir warten mal ab, was die Fachleute sagen. Da können wir als Kirche nicht an erster Stelle die richtigen Antworten geben, da müssen erstmal die Juristen ran.

domradio.de: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert ganz konkret, dass die Verjährungsfrist für Ersatzansprüche von drei Jahren aufgehoben werden müsse, 30 Jahre stehen da im Raum. Was sagen Sie dazu?
Jüsten: Auch darüber kann man nachdenken, auch das ist im Bereich des Möglichen.

domradio.de: Sie fordert weiter eine freiwillige Wiedergutmachung und geht damit direkt auf die Kirchen zu...
Jüsten: Das ist auch eine Forderung, die auch am Runden Tisch Heimerziehung erhoben wird, das ist sehr wohl zu prüfen. Im Übrigen fände ich es mal ganz gut, wenn die Frau Ministerin nicht immer nur über die Presse mit uns redet, sondern auch das anvisierte Gespräch allmählich mal in Gang bringen würden, wir haben von unserer Seite aus da schon mehrfach Versuche unternommen. Es bringt ja wenig, wenn man sich die Dinge immer nur in der Öffentlichkeit um die Ohren haut, sondern konkret ist es ja auch wichtig, dass man sich da genau informiert, was Stand der Dinge ist. Sie fordert ja auch nach wie vor einen Runden Tisch für die Kirchen. Ich denke, dass der durch den Runden Tisch der beiden anderen Ministerinnen jetzt obsolet geworden ist. Es wäre schon gut, wenn wir ihr unter vier Augen erklären könnten, was die Kirchen genau machen. Sie scheint da ja auch etwas unsicher zu sein über das, was die Kirchen tatsächlich tun.

domradio.de: Wünschen Sie sich mehr Sachlichkeit in der Debatte?
Jüsten: Vor allem würde ich mir wünschen, dass sie direkt mit uns kommuniziert, so wie sie das in Aussicht gestellt hat.

Das Gespräch führte Johannes Schröer.