Die Chilenen sind geschockt von Erdbeben und Flutwellen - Deutsche Hilfswerke vor Ort

Autos schwammen wie Fische

Hilfsgüter an Obdachlose verteilen, Verschüttete bergen, Verletzte versorgen und Plünderungen unterbinden: Das ist am Montag in Chile das Gebot der Stunde. Zwei Tage nach dem schweren Erdbeben an der Pazifikküste sind die Menschen im Katastrophengebiet immer noch geschockt.

Autor/in:
Gerhard Dilger
 (DR)

Eine große Flutwelle hat apokalyptische Szenen ausgelöst. Und am Montagmorgen kam es zu mehreren Nachbeben. In der Nacht hatte sich Concepción wegen der Ausgangssperre in eine Geisterstadt verwandelt. Am Sonntag waren zahlreiche Supermärkte, Apotheken und kleinerer Läden geplündert worden. Nun sollen 8.000 Soldaten für Ruhe und Ordnung sorgen, wie Verteidigungsminister Francisco Vidal ankündigte.

"Wir sind keine Diebe", sagte ein Mann im Fernsehen. "Wir wollen schon zahlen, aber nichts funktioniert." Concepcións Bürgermeisterin Jacqueline van Rysselberghe, machte die Regierung für das "Chaos" in ihrer Stadt verantwortlich: "Es darf doch nicht sein, dass die Menschen verhungern müssen." Am Montagmorgen hieß es, Polizisten hätten dort 55 Plünderer festgenommen.

Unterdessen musste der Verteidigungsminister einen verhängnisvollen Fehler einräumen: Die Marine habe es nach dem Beben unterlassen, vor einem Tsunami zu warnen. Offizielle Zahlen von Toten aus Concepción lagen zunächst noch nicht vor. In ganz Chile kamen nach Regierungsangaben mindestens 711 Menschen ums Leben, hieß es am Sonntagabend (Ortszeit). Aber die Zahl wird weiter steigen.

"Je mehr Zeit vergeht, desto mehr schlechte Nachrichten"
"In den Küstenregionen hat ein Tsunami ganze Ortschaften fortgerissen", erklärte Innenminister Edmundo Pérez Yoma. "Je mehr Zeit vergeht, desto mehr schlechte Nachrichten werden wir bekommen." An dem Küstenstreifen nördlich von Concepción, in nächster Nähe zum Epizentrum der starken Erdstöße, spielten sich apokalyptische Szene ab.

Allein 353 Tote wurden aus der Küstengemeinde Constitución in der Region Taule gemeldet. Den ganzen Sonntag schleppten Helfer vom Meer angespülte Leichen in die Sporthalle der Kleinstadt und bahrten sie dort auf. Vier Fünftel der historischen Altstadt lagen in Trümmern, Strom- und Wasserversorgung waren unterbrochen.

Augenzeugen berichteten, meterhohe Sturmwellen seien über den Ort hereingebrochen. "Die Autos schwammen wie Fische", erinnerte sich Carlo Quero. Wenige Stunden später überflog die sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet, die bald aus dem Amt scheidet, das Katastrophengebiet. Auch in der Provinzhauptstadt Talca wurde ein Großteil des historischen Zentrums zerstört.

Katholisch Hilfswerke aus Deutschland mit Soforthilfe
Mittlerweile sind auch die ersten internationalen Hilfslieferungen angelaufen. Mit einem Solidaritätsfonds, für den als allererste Hilfe zunächst 20.000 Euro bereitgestellt wurden, reagierte das katholische Hilfswerk MISEREOR auf das Erdbeben. 50.000 Euro kommen von Caritas International und Malteser International. Das Hilfswerk steht in direktem Kontakt mit dem chilenischen Malteser Hilfsdienst "Auxilio Maltés" und prüft unterstützende Hilfsmaßnahmen.

Aus Argentinien wurden drei Feldlazarette geliefert. Bachelet bat um Rettungsexperten, Statiker, Behelfsbrücken, Kommunikationseinrichtungen, Wasserentsalzungsanlagen und um Unterstützung für Krankenhäuser.

"Viele Menschen haben ihr ganzes Hab und Gut verloren"
Eine Schätzung, die Schäden beliefen sich auf ein Zehntel des Bruttoinlandsprodukts, wies Finanzminister Andrés Velasco als Spekulationen zurück. "Viele Menschen haben ihr ganzes Hab und Gut verloren", sagte der Politiker. Für die Bedürftigsten würden Mittel bereitgestellt.

Auch nach der Katastrophe ruht der politische Schlagabtausch nicht. Der gewählte Präsident Santiago Piñera, der sein Amt am 11. März antritt, versucht schon, Tatkraft zu zeigen. Der rechte Milliardär kündigt bereits einen Plan zum Wiederaufbau an. Titel: "Richten wir Chile wieder auf". Privatunternehmen sollen dabei eine wichtige Rolle spielen.