Alternative Friedensnobelpreisträgerin kritisiert Afghanistanpolitik

"Frauenrechte sind nicht verhandelbar"

Die Gründerin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale, Monika Hauser, bewertet die Ergebnisse der Londoner Afghanistan-Konferenz skeptisch. Seit Jahren würden die Rechte von Frauen betont, doch das seien nur "Lippenbekenntnisse", so die Trägerin des Alternativen Friedensnobelpreises. Im domradio-Interview beschreibt Hauser ein Land, in dem Gewalt gegenüber Frauen üblich ist und die Internationale Politik tatenlos zuschaut.

 (DR)

domradio: Erst einmal: begrüßen Sie das was dort auf der Konferenz in London für Afghanistan beschlossen worden ist - es sind ja viele verschiedene Dinge?
Hauer: Das alles klingt nach Strategiewechsel. Wir sind aber sehr skeptisch. Die Deutschen wollen nun mit 80 Polizeiausbildern mehr nach Afghanistan gehen - das wäre schon seit Jahren notwendig gewesen. Die Hälfte der Aufbaugelder soll an den Staatshaushalt gehen und es wird gesagt, dass damit auch Frauenrechte realisiert werden. Diese Lippenbekenntnisse hören wir nun schon seit Jahren. Wenn hier die Internationale Gemeinschaft hier nicht mit Druck und klaren Worten das mitverfolgt, dann passiert vor Ort gar nichts. Das kennen wir leider schon.

domradio: Karsai braucht also Druck - wie genau muss der aussehen?
Hauer: Schon Anfang des Jahrtausends wurde mit Frauenrechten argumentiert, so wurde der Einmarsch damals legitimiert. Aber wo war die Internationale Politik die ganzen Jahre über, um tatsächlich an der Seite der Zivilgesellschaft , an der Seite von Frauenrechtsorganisationen und an der Seite der mutigen afghanischen Frauen, die jeden Tag ihre schwierige Arbeit tun, zu stehen und diese Rechte einzuklagen? Man hätte über die Jahre hinweg ganz klar formulieren können: Es gibt nur Geld, wenn bestimmte Frauen- und Menschenrechte eingehalten werden. So klare Formulierungen sind nie gefallen. Darum kommt man nicht darum herum, der afghanischen Regierung das so deutlich zu machen. Im Übrigen: Wir brauchen keine Taliban, um eine schwierige Lage für Frauen in Afghanistan zu haben. Wir haben auch sehr viele Fundamentalisten im Kopf in der Regierung in Kabul, die auch nicht tatsächlich bereit sind, für Frauenrechte einzutreten.

domradio: Wie ist die Situation der Frauen in Afghanistan momentan grundsätzlich?
Hauer: Natürlich hat sie sich verschlechtert, so wie sich insgesamt die Sicherheitslage für die Bevölkerung in den vergangenen zwei Jahren dramatisch verschlechtert hat. Da sind die Frauen natürlich immer auch der sensibelste Teil, denn wenn wir sehen, was auch die fatale US-Politik in Afghanistan bewirkt hat - auch zum Teil mit der "Operation Enduring Freedom" - dann hat das natürlich auch direkt eine Auswirkung auf die afghanischen Männer gehabt. Das ist eine extreme Demütigung, das ist auch eine psychologische Traumatisierung, was wiederum zu neuer Gewalt gegenüber Frauen geführt hat. Ich sage das etwas bitter auch, weil wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn jahrelang eine solche völlig verfehlte Politik gemacht wird, dass wir heute eine noch höhere Traumatisierung der Bevölkerung haben - mit noch mehr Gewalt.

domradio: Eines macht Ihnen Sorgen. Die Pläne, dass man mit den Taliban verhandeln will. Warum?
Hauer: Prinzipiell muss man über Verhandlungen mit der höchsten Taliban-Ebene nachdenken. Wie weit diese "Aussteigerprogramme" tatsächlich Früchte tragen - das sehe ich sehr skeptisch. Grundsätzlich muss endlich mal kommuniziert werden. Aber auf welche Weise? Wir sagen ganz klar: Die Frauenrechte dürfen nicht verhandelt werden, denn die afghanischen Frauen haben in den letzten 40 Jahren in extremster Weise gelitten. Häusliche Gewalt ist an der Tagesordnung, sie wird noch nicht mal mehr in Frage gestellt, sie ist normal.

Das Gespräch führte Stephanie Gebert.