Alternativer Nobelpreis für Monika Hauser

Gegen den Mainstream

Am Montag wurde die deutsche Frauenärztin Monika Hauser in Stockholm mit dem diesjährigen Alternativen Nobelpreis geehrt. Keine Selbstverständlichkeit bei einer Frau, die sich nicht scheut, Auszeichnungen abzulehnen. Als Bundespräsident Roman Herzog ihr am 8.
Oktober 1996 das Bundesverdienstkreuz um den Hals legen wollte, fehlte die Ärztin.

Autor/in:
Sabine Damaschke
 (DR)

"Mit meiner Abwesenheit habe ich gegen den Beschluss der deutschen Innenminister protestiert, bosnische Flüchtlinge in ihre Heimat abzuschieben", erinnert sich die Gründerin der Frauenhilfsorganisation "medica mondiale". Nun, zwölf Jahre später, ist sie stolz auf die Auszeichnung mit dem "Alternativen Nobelpreis". Er sei eine Anerkennung für ihre schwierige Arbeit, sagt sie und ergänzt: "Die Auszeichnung hebt sich von anderen Preisen ab, weil sie Menschen und Bewegungen ehrt, die Veränderungen bewirken - auch gegen den Mainstream."

Um das, was konform und allgemein anerkannt ist, hat sich Monika Hauser in der Vergangenheit selten geschert. Die 49-jährige Ärztin gilt als Kämpferin gegen sexuelle Gewalt und für traumatisierte Frauen. Dabei hat sie sich in den vergangenen 15 Jahren mit vielen angelegt, vor allem mit Politikern, denen sie immer wieder "Untätigkeit" vorwirft. Der UN-Sicherheitsrat habe in zwei Resolutionen sexuelle Kriegsgewalt verurteilt, betont Hauser. "Aber die Politiker nehmen sie nicht ernst, sie sehen nicht ein, warum sie diese jetzt umsetzen sollen."

Die Hoffnung auf mehr Aufmerksamkeit
Auch der deutschen Regierung wirft die Frauenrechtlerin vor, oftmals nur "Lippenbekenntnisse" zu formulieren, etwa wenn es um die Situation vergewaltigter Frauen im Kongo geht. "Sie könnte sich in Brüssel für eine EU-Mission einsetzen, aber leider sehen wir hier nur Untätigkeit", kritisiert Hauser. Schonungslos offen berichtet sie über mehrfach vergewaltigte und schwer verletzte Frauen, die von ihren Familien ausgegrenzt werden, die traumatisiert sind von sexueller Gewalt und Isolation. "Ich hoffe, dass es mit dem Alternativen Nobelpreis mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und der Politik gibt für das, was wir zu sagen haben", erklärt die Ärztin.

Worüber niemand gerne redet, ist Hausers Lebensthema geworden, seit sie 1992 in den Medien über die Massenvergewaltigungen im Bosnienkrieg erfuhr. "Da ist etwas aufgebrochen in mir", erzählt sie. "Von einer Woche auf die andere habe ich alles mobilisiert." Damals setze sich die angehende Gynäkologin, die in einer Klinik im Ruhrgebiet arbeitete, alleine in Bewegung. Auf abenteuerlichen Wegen fuhr sie in einem Hilfslaster nach Jugoslawien, sprach mit vergewaltigten Frauen, Psychologinnen und Ärztinnen. Im April 1993 gründete die gebürtige Schweizerin das Therapiezentrum "Medica Zenica" in Zentralbosnien und rief in Köln den Verein "medica mondiale" ins Leben, um weiblichen Kriegsflüchtlingen zu helfen.

"Ich möchte Alternativen schaffen"
Zwischen Zenica und Deutschland hin und her pendelnd, organisierte Hauser die gynäkologische und psychologische Betreuung traumatisierter Frauen. Mit Erfolg. Das Therapiezentrum Zenica hat heute drei Standorte mit rund 70 bosnischen Mitarbeiterinnen. In Köln entstanden betreute Wohngruppen, ein breites Weiterbildungsangebot für Psychologinnen und Medizinerinnen wurde aufgebaut. Denn "medica monidale" bildet einheimische Ärztinnen und Therapeutinnen in Kriegsgebieten für die Arbeit mit Vergewaltigungsopfern fort. Rund drei Millionen Euro, zur Hälfte Spenden, zur Hälfte öffentliche Gelder, standen dem Verein 2007 für seine weltweite Arbeit zur Verfügung.

"Ich möchte Alternativen schaffen in einer Welt, in der Männer Kriege entfachen, Milliarden versenken und mit dem Leben von Frauen und Kindern spielen", antwortet Hauser, wenn man sie fragt, was sie motiviert, immer wieder in Kriegsgebiete zu reisen und sich für die vergewaltigten Frauen einzusetzen. Deren Geschichten seien "tief in ihr vergraben", sagt die Mutter eines 12-jährigen Sohnes. So tief, dass ihr manchmal die Worte fehlen. "Es gibt Dinge, die mir Frauen in Bosnien erzählt haben, über die ich mit niemandem reden kann", gibt sie zu. "Das kann ich nicht einmal einer Therapeutin antun."

Für ihren hohen Einsatz hat Monika Hauser viele Opfer gebracht. Die ständige Überlastung führte zu einer Fehlgeburt und zu einem Zusammenbruch. Sie gab eine sichere Anstellung als Gynäkologin an einer nordrhein-westfälischen Klinik auf. Heute ist die Medizinerin ganz für "medica mondiale" da. Den "Alternativen Nobelpreis" sieht sie als Auszeichnung für die Arbeit des ganzen Vereins, der mittlerweile in Afghanistan, in Liberia, in Uganda, im Irak und im Kongo tätig ist. In ein Projekt im Ostkongo soll ein Teil des Preisgeldes fließen. Denn auch dort, so wird Monika Hauser nicht müde zu betonen, werden täglich Frauen vergewaltigt - in den Metallminen, wo Coltan für die weltweite Handy-Industrie gewonnen wird.