Der Architekt Gottfried Böhm wird 90 Jahre alt

"Kirche nicht als Museumsstück"

Gottfried Böhm zählt zu den profiliertesten Architekten der Nachkriegszeit. Er plante Verwaltungsbauten, Geschäftshäuser und groß angelegte Wohnkomplexe. Bekannt wurde er aber durch Sakralbauten. Das Kirchen-Metier lag ihm schon in der Wiege: Er ist Sohn des Kirchenbauers Dominikus Böhm.

Autor/in:
Christoph Strack
Gottfried Böhm: Einziger deutscher Träger des Pritzker-Preises, dem "Nobelpreis für Architekten"  (KNA)
Gottfried Böhm: Einziger deutscher Träger des Pritzker-Preises, dem "Nobelpreis für Architekten" / ( KNA )

"Die Muslime wollen auch beten und dafür einen würdigen Raum haben." Im Streit um den Bau einer repräsentativen Moschee in seiner Heimatstadt Köln hat Gottfried Böhm eine klare Meinung. Der Architekt, der am Samstag 90 Jahre alt wird, verfolgt das Projekt mit viel Aufmerksamkeit. Federführend betreut sein Sohn Paul den Bau, aber Gottfried Böhm ist mit dabei. "Ich kenne sehr viele alte, sehr schöne Moscheen", sagt er. "Aber keinen einzigen schönen Neubau. Es ist die Sache wert, sich Mühe zu geben."

Böhm zählt zu den profiliertesten Architekten der Nachkriegszeit. Er plante Verwaltungsbauten, Geschäftshäuser, darunter die Deutsche Bank in Luxemburg, und groß angelegte Wohnkomplexe. Er errichtete eine Konzerthalle in Los Angeles, ein Kulturforum in Tokio, leitete den Umbau der Stuttgarter Oper und des Saarbrücker Stadtschlosses. Er baute Wohnhäuser ebenso wie ein Kinderdorf in der Nähe seines Wohnorts Köln und renovierte große alte Dome: Trier, Eichstätt, Paderborn. Das Kirchen-Metier lag Böhm gleichsam schon in der Offenbacher Wiege: Er ist Sohn des Kirchenbauers Dominikus Böhm.

Die Sankt-Kolumba-Kapelle in Köln 1949
So wurde Gottfried Böhm zunächst durch Sakralbauten bekannt. Er begann sein Schaffen 1949 mit der Sankt-Kolumba-Kapelle in Köln. Mehr als 30 Kirchen zählen zu seinem Werk. Darunter die 1968 fertiggestellte weltweit bekannte Wallfahrtskirche im rheinischen Neviges - eine imposante Konstruktion aus geradezu kristallin verarbeitetem Beton. Der Bau von Kirchen, sagt er, sei eine besondere Herausforderung, "weil es über übliche, von wirtschaftlichem Denken geprägte Projekte hinausgeht".

Die Kirchen sind wie die noch zahlreicheren säkularen Bauten Böhms eben nicht monotone Fassaden oder glatte Flächen. Viele seiner Werke binden den Blick und erzählen von einer anderen Gastlichkeit. Aus diesem Anliegen heraus interessierte sich Böhm in den 1970er und 80er Jahren für Stadtbereichsplanung und entwarf Projekte für Großstadt-Plätze.

Auch Böhm baute kräftig auf Beton, und doch schuf er Kontrapunkte zu schlimmen städtebaulichen Fehlentwicklungen. Mit seinem Namen verbinden Kenner eine urbane, aber humane Bauweise und die Symbiose von Neuem und Traditionellem. Zu seinen jüngeren Werken zählen die markante Pyramide der Ulmer Stadtbibliothek und das Hans-Otto-Theater in Potsdam.

"Jedes Gebäude muss sich ändern können"
Immer wieder überzeugt der Architekt auch durch die Sensibilität bei Renovierungen, durch die Mischung von Bewahren und Erneuern. "Jedes Gebäude muss sich ändern können", sagte er einmal. So variiert er das Konservieren in verschiedenen Spielarten und kombiniert Altes und Neues zu einem harmonischen Ganzen. Moderner Sichtbeton und mittelalterlicher Bestand sind für ihn keine Gegensätze.

Böhms Stellenwert verdeutlichen auch die Auszeichnungen, die ihm zuteil wurden. Der Vater von vier Söhnen erhielt 1986, in der Hoch-Zeit seines Wirkens, in London den Pritzker-Preis, der als "Nobelpreis für Architekten" gilt. 1996 zeichnete ihn das Land Nordrhein-Westfalen mit dem Staatspreis aus. Auch aus dem kirchlichen Raum fand Böhms Schaffen Anerkennung: 1987 verlieh ihm die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst den Gebhard-Fugel-Kunstpreis, weil es ihm immer gelungen sei, "Stätten bezeichnender Qualität zu schaffen, Orte von menschlicher und künstlerischer Weite".

Der Umgang mit seinem ersten eigenständigen Bau in seinem Wunsch-Lebensort Köln schmerzt ihn. Die Kapelle "Maria in den Trümmern", für viele Domstädter in den Nachkriegsjahrzehnten ein Symbol für die Verwundung der Stadt, integrierte der Schweizer Architekt Peter Zumthor in das 2007 eingeweihte, seinerseits sehenswerte Diözesanmuseum St. Kolumba. "Da bin ich nicht sehr glücklich", sagt Böhm. Gewiss, Zumthor, mit dem er befreundet sei, sei ein sehr guter Architekt. Aber die Kapelle gehöre ins Stadtbild, "das ist ja kein Museumsstück".