NRW: Ministerin und Opposition werfen sich im Landtag gegenseitig Lügen vor

Schlagabtausch zum JVA-Ausbruch

Der Ausbruch von zwei Schwerverbrechern aus der Justizvollzugsanstalt Aachen hat heftigen Krach im Düsseldorfer Landtag ausgelöst. Die Opposition arbeite mit "Lügengeschichten", sagte Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter am Mittwoch in einer aktuellen Stunde des Parlaments. Sie habe den Landtag stets voll über die Ermittlungen informiert. Die Opposition warf der Ministerin Lügen vor.

 (DR)

Die Ministerin habe das Vertrauen in die Justiz beschädigt, sagte der SPD-Rechtsexperte Thomas Kutschaty. Die Ministerin bleibe etwa die Antwort darauf schuldig, warum die Gefängnispforte zum Zeitpunkt des Ausbruchs nur von einem JVA-Bediensteten bewacht wurde. Erneut verlangte die SPD den Rücktritt der Ministerin. Sie habe dem Landtag verschwiegen, dass zum Zeitpunkt des Ausbruchs ein «Notdienstplan» in der JVA Aachen galt.

Am Wochenende waren neue Details über den Gefängnisbeamten bekanntgeworden, der den Männern zur Flucht verholfen haben soll. Wie «Der Spiegel» berichtete, soll der Gefängnisbeamte wenige Tage vor dem Ausbruch der beiden Gefangenen Peter Paul Michalski und Michael Heckhoff am 26. November in einer anderen Angelegenheit von einem Mobilen Einsatzkommando (MEK) der Polizei observiert worden sein. Laut «Spiegel» war der Grund für die Observierung des Gefängnisbeamten die Aussage einer Frau aus Aachen, der Beamte in der JVA Aachen betätige sich als «Schlepper». Als solche gelten den Angaben zufolge Beamte, die Gefängnisinsassen Gegenstände wie Handys oder Rauschgift in die Zellen schmuggeln.

Bereits Anfang Dezember hatte Müller-Piepenkötter im Rechtsausschuss des Landtags Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Ausbruch zurückgewiesen. Die Gefängnisse in NRW seien «nie so sicher wie heute gewesen», sagte die Justizministerin. Zuvor waren die beiden Schwerverbrecher nacheinander auf der Flucht gefasst worden.

Müller-Piepenkötter habe im Rechtsausschuss gesagt, der verdächtige JVA-Beamte habe «plötzlich» die Seiten gewechselt, sagte der SPD-Abgeordnete Thomas Stotko. Tatsächlich habe die Ministerin zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass gegen den Bediensteten bereits wegen Drogenschmuggels ermittelt wurde.

Die Grünen-Innenexpertin Monika Düker kritisierte die Sperrung des Zugangs zum WDR-Onlineangebot auf Dienstcomputern der Justiz. Die Ministerin sei für dieses «unwürdige Schauspiel» verantwortlich, sagte Düker. Zuvor hatten Justizmitarbeiter die Ministerin in Online-Foren auf «wdr.de» für Personalmangel und andere Missstände in den nordrhein-westfälischen Gefängnissen verantwortlich gemacht.

Unter der rot-grünen Vorgängerregierung habe es mehr Ausbrüche und Pannen in der Justiz gegeben, sagte der FDP-Abgeordnete Robert Orth. Schwarz-Gelb habe seit der Regierungsübernahme im Jahr 2005 schrittweise Reformen im Strafvollzug eingeleitet.

Die SPD widersprach dieser Darstellung. In der JVA Aachen sei die Zahl der Wärter in den letzten Jahren von über 50 auf rund 40 reduziert worden, sagte SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger. Der Ausbruch hätte bei besserer Sicherung verhindert werden können. Müller-Piepenkötter sei für den Abbau verantwortlich. Die Ministerin entgegnete, Rot-Grün habe den Strafvollzug «kaputtgespart».