Honduras wählt am Wochenende - Das Land ist gespalten

Der große Graben

Ganz gleich wer am Sonntag die Präsidenten- und Parlamentswahlen in Honduras gewinnt: Auf den neuen Staats- und Regierungschef des krisengeschüttelten mittelamerikanischen Landes wartet eine schier unlösbare Aufgabe. Das Land ist tief gespalten. Die katholische Kirche versucht als Vermittlerin zwischen den Fronten das Schlimmste zu verhindern.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Nach dem Sturz des gewählten Präsidenten Manuel Zelaya Ende Juni geht ein tiefer Riss durch die honduranische Gesellschaft: Da sind auf der einen Seite die Anhänger von Interimspräsident Roberto Micheletti, die nicht müde werden zu betonen, dass die Ablösung Zelayas verfassungsrechtlich gedeckt und in Einklang mit den Gesetzen des Landes erfolgt sei. Sie treffen auf erbitterten Widerstand der Zelaya-Anhänger, deren Wut auch fünf Monate nach den Ereignissen vom 28. Juni noch nicht verflogen ist und die den Urnengang als nachträgliche Legitimierung für den Machtwechsel ablehnen.

«Wir müssen eine Brücke sein, die zurück zur Einheit führt», wiederholt der prominente honduranische Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga immer wieder. Die Bischöfe des Landes hoffen auf einen Neuanfang nach den Wahlen, doch das scheint schwierig.

Favorit auf den Wahlsieg ist Porfirio «Pepe» Lobo Sosa, ein Großgrundbesitzer, der Zelaya bei den Wahlen 2005 nur knapp unterlegen war. Der 61-Jährige von der Nationalen Partei liegt in Umfragen klar vorn - auch weil er sich im Wahlkampf als Figur positionieren konnte, die eine Rückkehr zur Normalität garantiere und Reformen umsetzen könne. Kritiker werfen dem konservativen Politiker vor, nur eine Marionette der wenigen einflussreichen, finanzstarken Familien zu sein, die hinter den Kulissen das Schicksal des Landes bestimmen.

Lobos schärfster Rivale ist der Bauunternehmer Elvin Santos von der Liberalen Partei, der auch Zelaya und Micheletti angehören. Der heftige parteiinterne Streit, der das Land seit Wochen lähmt, dürfte Santos allerdings den Sieg kosten. Große Konkurrenz aus dem Zelaya-Lager hat Lobo nicht zu befürchten. Die Linke ist zersplittert; sie hat keine gemeinsame Führungsfigur. Zudem dürfte Zelayas Aufruf zum Wahlboykott seine Wirkung nicht verfehlen.

Die Lage ist angespannt. Um gewalttätige Auseinandersetzungen zu vermeiden, haben honduranischen Sicherheitskräfte begonnen, die Bevölkerung zu entwaffnen. Die Sorge scheint nicht unbegründet: Am Wochenende wurde vor einer Kirche, die auch als Wahllokal dienen soll, eine Autobombe gezündet. Sie richtete allerdings nur leichten Sachschaden an.

Zelaya, den die internationale Staatengemeinschaft nach wie vor als legitimen Präsidenten betrachtet, sitzt nach seiner heimlichen Rückkehr seit Wochen in der brasilianischen Botschaft in Honduras'
Hauptstadt Tegucigalpa fest. Die Wahlen will er nicht anerkennen.
Die Regionalmächte Brasilien und Argentinien haben bereits angekündigt, die neue Regierung nur dann zu akzeptieren, wenn Zelaya während der Wahlen wieder im Amt sei. Das ist allerdings
ausgeschlossen: Das Parlament will erst Anfang Dezember über eine Wiedereinsetzung Zelayas entscheiden, wie sie der zunächst ausgehandelte und später wieder verworfene Kompromiss der beiden unversöhnlichen Lager vorsieht.

Die Verfassungskrise hatte Ende Juni begonnen, als Zelaya mit Hilfe von Militärs in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gegen seinen Willen nach Costa Rica ausgeflogen worden war. Zuvor hatte er versucht, mit Hilfe der Streitkräfte eine Volksabstimmung über eine verfassungsgebende Versammlung durchzusetzen. Diese sollte Zelaya eine in der Verfassung nicht vorgesehene weitere Amtszeit ermöglichen. Parlament und Oberstes Gericht warfen Zelaya Verfassungsbruch vor und beschlossen seine Absetzung.

Kardinal Rodriguez hat seine Landsleute aufgerufen, zur Wahl zu gehen - und verbindet dies mit einem frommen Wunsch: «Ich hoffe, dass die politische Klasse aus den vergangenen Wochen gelernt hat.»