Misereor-Expertin zu Bonner UN-Konferenz

"Kaum Fortschritte"

In Bonn ist am Freitag die zweite Runde der UN-Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz zu Ende gegangen. Die Gespräche kamen allerdings nur schleppend voran, sagt Nicole Piepenbrink vom katholischen Hilfswerk Misereor. Im Interview erläutert die Referentin für Klimawandel und Ernährungssicherheit Versäumnisse der EU und Gefahren für die Entwicklungsländer.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

KNA: Frau Piepenbrink, was ist bei den Verhandlungen in Bonn erreicht worden?
Piepenbrink: Nicht viel. Die Verhandlungen sind nur schleppend vorangekommen. Es wurden kaum konkrete Ergebnisse erzielt; viele Entscheidungen sind stattdessen auf die kommenden Monate verschoben worden. Das ist sehr bedauerlich, weil uns die Zeit bis zur Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember langsam davonläuft.

KNA: Wo lagen die Schwierigkeiten?
Piepenbrink: Die Länder haben sich gegenseitig blockiert. Ein
Piepenbrink: Die EU hat angekündigt, bis 2020 ihren CO2-Ausstoß um 20 Prozent zu reduzieren, und, falls andere Industriestaaten ihrem Beispiel folgen, sogar um 30 Prozent. Japan hingegen hat für diesen Zeitraum nur eine Reduzierung um acht Prozent angeboten. So kommt man nicht weiter. Außerdem hat die EU, die bisher in Sachen Klimaschutz häufig eine Vorreiterrolle einnahm, keine konkreten Zusagen für eine finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer genannt. Ohne eine solche Unterstützung aber können diese armen Länder sich nicht an den Klimawandel anpassen und keinen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

KNA: Was hätte aus Ihrer Sicht erreicht werden müssen?
Piepenbrink: Das Ziel muss eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes der Industrienationen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 sein. Nur dann kann die Erderwärmung langfristig unter zwei Grad gehalten werden.
Dieses Ziel ist bisher nicht erreicht worden. Es bleibt zu hoffen, dass sich daran in den noch folgenden Verhandlungen bis Dezember etwas ändert.

KNA: Was können Nichtregierungsorganisationen wie Misereor bei solchen Konferenzen ausrichten?
Piepenbrink: Wir haben hier natürlich nur einen Beobachterstatus, können also nicht unmittelbar mitverhandeln. Unsere Aufgabe ist es jedoch, die Delegierten am Rande der Verhandlungen immer wieder darauf hinzuweisen, wie dramatisch die Situation in den Entwicklungsländern mittlerweile schon geworden ist. So haben wir etwa zusammen mit unserem Dachverband katholischer Entwicklungshilfeorganisationen in Europa und Nordeuropa (CIDSE) eine Live-Übertragung aus dem südostafrikanischen Malawi organisiert, wo sich derzeit Vertreter von Nichtregierungsorganisationen mit den Folgen des Klimawandels befassen. Die Stellungnahmen unserer Partner bekamen die Delegierten dann auf den Tisch.

KNA: Welche Auswirkungen hat denn der Klimawandel für Entwicklungsländer?
Piepenbrink: Nach neuesten Schätzungen sterben schon jetzt jährlich 300.000 Menschen durch die Folgen der Erderwärmung, die überwiegende Mehrzahl in Entwicklungsländern. Für Afrika etwa sagt der Weltklimarat einen Rückgang der Ernte auf Feldern ohne künstliche Bewässerung um 50 Prozent bis 2020 voraus. Hunger und Unterernährung sind die Folge. Diese Zahlen zeigen deutlich: Die Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, leiden schon jetzt am meisten unter seinen Auswirkungen.