Der Deutsche Evangelische Kirchentag ist ab Mittwoch erstmals in Bremen zu Gast

Fünf Tage Glaube, Politik und Party

Wer jetzt noch während des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages vom 20. bis 24. Mai in Bremen ein Hotel sucht, muss Glück haben und auf eine Stornierung hoffen. "Alle 8.000 Betten sind ausgebucht - die Stadt ist voll", sagt Maice Lukas von der Bremer Touristik-Zentrale. Unter der biblischen Losung "Mensch, wo bist du?" wollen 100.000 Dauerteilnehmer zu dem protestantischen Laientreffen kommen, das erstmals in seiner 60-jährigen Geschichte an der Weser organisiert wird.

Autor/in:
Dieter Sell
 (DR)

Dem Kirchentag gehe es um die Suche nach Maßstäben für ethisches Handeln, sagt Generalsekretärin Ellen Ueberschär. Die evangelische «Zeitansage» zu Schwerpunktthemen wie Demokratie und Bildung sowie einer Ethik-Debatte in der Wirtschaftskrise ist aber nur eine der großen Säulen, die das Programm mit mehr als 2.500 Veranstaltungen tragen. Die Anziehungskraft des Kirchentags liegt vor allem für junge Gäste wohl in einer gigantischen Glaubensparty. Schon zum Auftakt während des «Abends der Begegnung» am 20. Mai soll es richtig rund gehen, wenn - wie erwartet - 300.000 Gäste kommen.

Schluss- und Höhepunkt des Mega-Straßenfestes rund um elf Bühnen soll ein Lichtermeer von 150.000 Kerzen sein, das von einer Performance begleitet wird: Der Kölner Künstler Rochus Aust lässt Boote Ballett fahren und Bäume singen. Eine Herausforderung für Polizei und Verkehrsplaner ist dabei der Einzug des Bundesligisten Werder Bremen in das UEFA-Cup-Finale in Istanbul. Es wird am Mittwochabend zeitgleich zum «Abend der Begegnung» übertragen - zehntausende Fans wollen das spannende Match auf einer Großbildleinwand möglichst citynah verfolgen.

Bremen soll nicht nur ein singender Kirchentag werden, sondern auch ein «Kirchentag der Schiffe». So kommt das größte zivile und fahrtüchtige Museumsschiff der Welt, die «Cap San Diego», in die Hansestadt und ist Schauplatz des Themenschwerpunktes Welthandel. Windjammer wie die «Alexander von Humboldt», zahlreiche Traditionsschiffe und das alte Feuerschiff «Elbe 3» beteiligen sich bereits am Mittwochvormittag an einer Einlaufparade, die einen Hauch von Bremerhavener «Sail» und Kieler Woche verbreiten soll.

Die Schiffe machen im alten Europahafen fest, dem Herz der neuen Überseestadt, die neben der Messe am Bahnhof und der Innenstadt drittes Veranstaltungszentrum des Kirchentags ist. «Da entsteht eine unverwechselbare maritime Atmosphäre», ist Bremens Altbürgermeister Henning Scherf überzeugt. Auf seine Initiative ist der Kirchentag nach Bremen gekommen.

Scherf hat sich auch dafür eingesetzt, dass das kleinste Bundesland 7,5 Millionen Euro zu den Gesamtkosten von 14,2 Millionen Euro beisteuert. Eine Million Euro kommt von der gastgebenden Bremischen Evangelischen Kirche, die von den umliegenden Landeskirchen Hannover, Oldenburg und der Evangelisch-reformierten Kirche organisatorisch kräftig unterstützt wird. Den Rest zahlen Teilnehmer und Sponsoren.

Der Landeszuschuss ist es auch, an dem sich die Kritik von Atheisten entzündet, die mit einem «Heidenspaß-Festival» parallel zum Kirchentag «der Übermacht der Gläubigen» trotzen wollen. Kirchentagspräsidentin Karin von Welck allerdings setzt auf Tage des Dialogs. Im Blick auf die Weltreligionen gebe es erstmals einen direkten «Trialog» zwischen Juden, Christen und Muslimen, betont die parteilose Kultursenatorin aus Hamburg.

Sechs Jahrzehnte nach dem ersten evangelischen Glaubensfest in Hannover geht es zudem in vielen Veranstaltungen um das 60. Jahr der Bundesrepublik und das 20. Jahr nach dem Mauerfall. Zu den Höhepunkten des Kulturprogramms zählen Open-Air-Konzerte, etwa mit der Kölner A-capella-Gruppe «Wise Guys». Neben Klassik wie dem «Bremer Requiem», das extra für den Kirchentag komponiert wurde, gibt es Kino, Theater und erstmals eine «Nacht der Poesie».

Logistisch ist das Mega-Treffen auf engem Raum eine
Herausforderung: Seit Monaten brüten die Verkehrsbetriebe über Fahrplan-Erweiterungen. «Wir holen ausgediente Straßenbahnen aus dem Depot-Ruhestand und planen Umleitungen, um Staus zu verhindern», sagt Jens Christian Meyer, Sprecher der Bremer Straßenbahn. 1.600 für den Kirchentag produzierte und aufgearbeitete Kauf- und Leihräder sollen die Lage entspannen.

Auch per Rad gut erreichbar sind ungewöhnliche Veranstaltungsorte wie Speicher, Güterbahnhof, Schwimmbühne sowie der traditionelle «Markt der Möglichkeiten». Dort wollen fast 800 Gruppen ihre Arbeit vorstellen. Prominente wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), Weltbank-Präsident Robert Zoellick und der britische Historiker Timothy Garton Ash diskutieren auf den Podien.

Am Kirchentagssamstag kommt die deutsche Politprominenz in Berlin zur Neuwahl des Bundespräsidenten zusammen. Zuvor wird dieser nochmals das Protestantentreffen besuchen: Horst Köhler kommt am 20. Mai zum zentralen Eröffnungsgottesdienst auf der Bremer «Bürgerweide». Dazu werden allein rund 60.000 weitere Gäste erwartet.