Erzieherinnen und Sozialarbeiter streiken erneut

Kampf für bessere Bedingungen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ruft die Beschäftigten in den kommunalen Kindergärten und Jugendämtern für heute und morgen erneut zu Streiks auf. Schwerpunkte sollen die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und das Saarland sein. Bereits Ende vergangener Woche hatten bundesweit rund 11 000 Erzieherinnen die Arbeit niedergelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert einen Tarifvertrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung für die bundesweit rund 220 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

 (DR)

Die Mitarbeiter der katholischen Kindergärten in Deutschland unterstützen die Forderungen der Gewerkschaften für die kommunalen Kindertagesstätten. Wegen des gesonderten kirchlichen Arbeitsrechts dürfen sie sich allerdings nicht an dem am Freitag begonnenen ersten bundesweiten Streik dieser Berufsgruppe beteiligen. Katholische und evangelische Kindergärten sind vor allem in der alten Bundesrepublik weithin Marktführer bei Kindergärten.

Der bundesweite Sprecher der kirchlichen Mitarbeiter-Vertretung, Georg Grädler, sagte am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur
(KNA) in Bonn, die Angestellten katholischer Kindergärten verfolgten den derzeitigen Streit in mehreren Bundesländern "mit großer Sympathie". Die Gewerkschaften verdi und GEW kämpfen für einen verbesserten Gesundheitsschutz in den kommunalen Einrichtungen. Sie verweisen vor allem auf eine zu hohe Lärmbelastung und Rückenbeschwerden der Erzieherinnen. Zudem spielten psychosomatische Krankheiten eine immer größere Rolle.

Wie die Gewerkschaften forderte Grädler zugleich eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen. Auch viele kirchliche Kindergärten hätten inzwischen Probleme bei der Neueinstellung von Erzieherinnen, weil sich die Eingruppierungen in die Entgeltstufen bei einem Arbeitsplatzwechsel deutlich verschlechtert hätten. Die Mitarbeitervertreter im Bereich der katholischen Kirche würden versuchen, die Forderungen der Erzieherinnen bei den kommenden Tarifverhandlungen im Bereich der Kirche durchzusetzen.

Grädler appellierte zugleich an die kirchlichen Arbeitgeber, die Streikmaßnahmen im kommunalen Bereich nicht zu unterlaufen. Kinder aus kommunalen Kindergärten dürften während dieser Zeit nicht in kirchlichen Einrichtungen aufgenommen werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes besuchen rund 2,25 Millionen Kinder Tageseinrichtungen. Insgesamt gibt es bundesweit knapp 50.000 Kitas, davon aber nur etwa 17.000 in kommunaler Trägerschaft.

Im Bereich der Kirchen gilt ein eigenes Tarif- und Arbeitsrecht. Beim sogenannten Dritten Weg handelt sich um eine konsensorientierte Suche nach einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Bereich der Kirchen. Das Betriebsverfassungsgesetz und die Möglichkeiten von Streiks und Aussperrung gelten dabei nicht. Alle Fragen des Tarifrechts werden durch paritätisch aus Dienstgebern und Dienstnehmern besetzte Kommissionen geregelt.

Bestreikt wurden neben kommunalen Kindertagesstätten auch Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Lebenshilfeeinrichtungen sowie Einrichtungen für Behinderte. "Wir kämpfen für einen Gesundheitstarifvertrag und bessere Arbeitsbedingungen", sagte Martina Sönnichsen, Sprecherin des ver.di-Bundesvorstands, dem epd.

Dazu gehörten höhere Stühle für Erwachsene in Kitas, verbesserter Lärmschutz, aber auch mehr Personal. "Viele Ältere arbeiten in Kitas, sie werden bald in Pension gehen, dann wird sich die ohnehin angespannte Personalsituation noch verschärfen", sagte Sönnichsen.

Darüber hinaus seien die Arbeitsanforderungen an die Erzieherinnen stetig gestiegen. Eine aktuelle Umfrage habe ergeben, dass 87 Prozent der befragten Erzieherinnen sich durch ihren Beruf gesundheitlich belastet fühlten. Rückenschmerzen, Schlafstörungen und psychische Erkrankungen gehörten zu den Auswirkungen.

Hotline für Eltern
Die Eltern seien in den vergangenen Tagen mit Informationsbriefen auf die Streiks vorbereitet worden. Sie zeigten "viel Verständnis", sagte Ulf Birch, Sprecher des ver.di-Landesverbands Niedersachsen-Bremen. In Hannover werden 33 Kitas während des Streiks schließen, ebenso ein Großteil der 1.300 Einrichtungen im Umland.

ver.di-Niedersachsen hat deshalb eine Hotline für Eltern eingerichtet. In Bayern soll nach Angaben des dortigen Verbands eine Notversorgung für Kinder bereitgehalten werden, deren Eltern keine Unterbringungsmöglichkeit für sie finden.

Um die bessere Eingruppierung der Erzieherinnen in höhere Gehaltsstufen gehe es bei diesen Streiks nicht, sagte ver.di-Sprecherin Sönnichsen. Zwar stockten die Verhandlungen in diesem Bereich ebenfalls. "Was die Arbeitgeber anbieten, ist eine Provokation", sagte Sönnichsen. Doch noch gelten die alten Tarifverträge und es herrscht Friedenspflicht. Am 27. Mai wollen Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber weiter über neue Verträge verhandeln.

Schwerpunkte - auch in NRW
Mit der Urabstimmung hätten die Erzieherinnen und Sozialarbeiter deutlich gezeigt, dass sie sich nicht länger von den Arbeitgebern hinhalten lassen wollten, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp. Die Arbeitgeber hätten die Verhandlungen immer wieder verzögert und damit den Streik provoziert.

Die Gewerkschaften ver.di und GEW rufen zwar bundesweit zu Streiks auf. Es würden aber Schwerpunkte gebildet, sagte ver.di-Sprecherin Sönnichsen. Dazu gehören Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Hessen und Bremen. Am 18. und 19. Mai werde auch in Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und im Saarland gestreikt. In Frankfurt am Main soll am 19. Mai eine Großkundgebung stattfinden.

Insgesamt sind 220.000 Menschen im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst beschäftigt. Nach Warnstreiks der Mitarbeiterinnen aus kommunalen Kitas und Sozialarbeitern am 6. Mai hatten die Gewerkschaften ver.di und GEW zur Urabstimmung über weitere Streiks aufgerufen. Die Tarifverhandlungen über einen Gesundheitstarifvertrag waren nach Angaben von ver.di am 30. April gescheitert.