Senat strebt Grundsatzklärung im Anzeigenstreit zu "Pro Reli" an

Endspurt in Berlin

Der Berliner Senat strebt nach der juristischen Niederlage im Anzeigenstreit zum Volksentscheid "Pro Reli" eine Grundsatzklärung an. Das Oberverwaltungsgericht hatte am Donnerstagabend entschieden, dass der Senat keine Steuermittel einsetzen darf, um für seine Position beim Volksentscheid zu werben.

 (DR)

Es sei noch nicht "das letzte Wort gesprochen", sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Freitag dem Radiosender 104.6 RTL. Welcher Rechtsweg beschritten werde, solle noch geprüft werden, so Senatspressesprecher Richard Meng auf Anfrage. Es stelle sich aber für die Zukunft die Frage, ob die Initiatoren eines Volksentscheids für ihre Sache werben dürften, der Senat, gegen dessen Politik sich der Entscheid richte, aber nicht.

Das Oberverwaltungsgericht hatte am Donnerstagabend entschieden, dass der Senat keine Steuermittel einsetzen darf, um für seine Position beim Volksentscheid zu werben. Für die Zeitungen kam das Urteil am späten Donnerstagabend zu spät. Wie am Montag sind die Anzeigen des Senats in sieben Tageszeitungen erschienen.

Unterdessen betonte der "Pro Reli"-Vorsitzende Christoph Lehmann, "wir erwarten umgehend eine Entschuldigung des Regierenden Bürgermeisters für dieses Fehlverhalten gegenüber der Berliner Bevölkerung". Auch habe der Senat nach dem Beschluss offenbar nichts getan, um die Anzeigen zu stoppen.

Die Initiative will durch den Volksentscheid erreichen, dass der Religionsunterricht vom freiwilligen Zusatzangebot zur gleichberechtigten Alternative des staatlichen Ethikpflichtfachs wird.

Rund 1.000 Menschen waren am Donnerstagabend in Berlin für die freie Wahl zwischen Religions- und Ethikunterricht auf die Straße gegangen. An der Demonstration drei Tage vor dem Volksentscheid "Pro Reli" nahmen auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, teil.

Die einstündige Route der Demonstration führte vom Olivaerplatz über den Kurfürstendamm bis zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Beim Volksentscheid am Sonntag stimmen die Berliner über die künftige Stellung des Religionsunterrichtes an den Schulen ab. Bislang ist der Besuch freiwillig und wird in alleiniger Verantwortung der Kirchen und anderer Gemeinschaften betrieben. Die Initiative "Pro Reli" will dies mit dem Volksentscheid ändern. Danach soll Religionsunterricht künftig gleichberechtigt zum Pflichtfach Ethik unterrichtet werden. Die Schüler könnten dann zwischen beiden Fächern wählen.

Nach einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts darf der Senat vor dem Volksentscheid weiterhin für das Pflichtfach Ethik werben. Das Gericht wies einen Antrag der Initiative "Pro Reli" als unbegründet zurück (VG 2 L 56.09). Es sei nicht feststellbar, dass die für Freitag geplanten Zeitungsanzeigen des Senats unsachgemäße Inhalte aufweisen, hieß es in der Begründung. Die Initiative "Pro Reli" legte gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein.

Der Berliner Erzbischof Georg Sterzinsky kritisierte unterdessen die Werbeslogans der Partei "Die Linke" und der Initiative "Pro Ethik". Offenbar versuchten die Gegner des Volksentscheides, "die Berliner für dumm zu verkaufen", erklärte der Kardinal. Als Beispiel nannte er das Plakat der "Linken" mit dem Slogan "Religion ist freiwillig". Damit werde unterstellt, Religionsunterricht würde bei einem erfolgreichen Volksentscheid zum Zwangsfach, dem kein Schüler entrinnen könne. Der Religionsunterricht bleibe freiwillig, unterstrich Sterzinsky.

Bereits am Montag hatte der Senat in mehreren Berliner Tageszeitungen mit Anzeigen für die Beibehaltung eines verpflichtenden Ethikunterrichtes geworben. Die Initiative "Pro Reli", die sich für die Einführung eines Wahlpflichtbereiches Ethik/Religion einsetzt, hatte daraufhin am Mittwoch beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit der dem rot-roten Senat weitere Anzeigen zum Volksentscheid untersagt werden sollten.