Erzbischof Zollitsch zieht gemischte Bilanz zum Stand der Ökumene

Nach dem Enthusiasmus

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat eine gemischte Bilanz der Ökumene gezogen. Der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorherrschende "große ökumenische Enthusiasmus" sei nicht mehr vorhanden, sagte er am Donnerstagabend in Karlsruhe. Die erreichte "größere Nähe" der christlichen Kirchen habe umso deutlicher auch "tiefgreifende Differenzen" sichtbar gemacht. Zollitsch wies zugleich die Rede von einer "ökumenischen Eiszeit" zurück.

Erzbischof Zollitsch und Bischof Huber: Aktiv für die Ökumene (KNA)
Erzbischof Zollitsch und Bischof Huber: Aktiv für die Ökumene / ( KNA )

Nach den Worten des Freiburger Erzbischofs scheint derzeit nicht der Moment für große Aufbrüche. Vielmehr sei jetzt die «Zeit zum Innehalten, zur Konsolidierung und zur Bestandsaufnahme». Zudem gebe es neue Herausforderungen. Zollitsch verwies auf die mit der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) vereinbarte Dialogrunde zum Thema Gott und Menschenwürde, die gerade mit Blick auf biomedizinische Fragen bedeutend sei. Zudem seien in der ökumenischen Szene mit der evangelikalen und pfingstlichen Bewegung neue Dialogpartner herangewachsen.

Eine besondere Bedeutung misst Zollitsch einer verstärkten Zusammenarbeit der Kirchen in ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen zu. «Dabei werden wir umso mehr wahrgenommen werden, je mehr es uns gelingt, die Fragen und Anliegen in ökumenischer Gemeinsamkeit» aufzugreifen, betonte er. Der Zweite Ökumenische Kirchentag 2010 in München biete mit seiner Konzentration auf gesellschaftspolitische Fragen die Chance, dass sich die Kirchen Gehör verschaffen und die Gottesfrage wach halten.

Kritik an Lutherdekade
Mit Blick auf das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 bekundete Zollitsch die Erwartung, dass das Gedenken daran und die vorbereitende Lutherdekade «nicht zu einseitiger Profilierung und Konfessionalisierung» benutzt werde. «Manche Redeweise und öffentliche Äußerung der vergangenen Monate bereitet mir in dieser Hinsicht durchaus Sorgen», so der Episkopats-Vorsitzende. Weiter betonte er, das Reformationsgedenken könne auch für katholische Christen eine Gelegenheit sein, sich mit Martin Luther zu beschäftigen und ihn als gläubigen Menschen zu entdecken.

Als «Meilenstein auf dem Weg zur Einheit» würdigte Zollitsch die vor zehn Jahren von Katholiken und Lutheranern unterzeichnete «Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre». Sie greife einen zentralen Punkt der Auseinandersetzung auf, an dem die abendländische Kirche im 16. Jahrhundert zerbrochen sei. In dem Dokument wurde erstmals gemeinsam bekräftigt, dass der Mensch unabhängig von seinen Unzulänglichkeiten und Verdiensten von Gott angenommen ist. Damit wurden die gegenseitigen Verurteilungen aufgehoben. Weiter klärungsbedürftig sind laut Zollitsch insbesondere die Lehre über die Sakramente und das Verständnis von Kirche und Amt.

Verständnis für unterschiedliche Auffassungen von "Kirche"
Der Konferenz-Vorsitzende ging auch auf die von evangelischer Seite kritisierte Erklärung «Dominus Iesus» der vatikanischen Glaubenskongregation aus dem Jahr 2000 ein. Die Formulierung, dass Gemeinschaften ohne Bischofsamt im katholischen Sinne «nicht Kirchen im eigentlichen Sinn» seien, werde gerade von «ökumenisch Engagierten als bedrückend und empörend empfunden». Er könne «akzeptieren, dass auch andere sich in ihrem Sinn als Kirche verstehen», so Zollitsch. In der Sache bezeichne «Dominus Iesus» aber den Unterschied, dass «die reformatorischen Kirchen nicht Kirchen im katholischen Sinn sind und dass sie es auch so nicht sein wollen».