Bundespolitik sieht dem Ausgang der bayerischen Landtagswahl gebannt entgegen - Wahlaufruf von Erzbischof Marx

Berlin blickt nach München

In Bayern wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Umfragen zufolge muss die CSU bei der Wahl um ihre absolute Mehrheit bangen. Allerdings waren Anfang der Woche noch viele Befragte unentschlossen, wem sie am Sonntag ihre Stimme geben sollen. Im domradio ruft der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, die Bürger Bayerns zum Wahlgang auf - natürlich ohne Wahlempfehlung.

Autor/in:
Kerstin Münstermann und Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Wenn Angela Merkel am Freitag wie geplant zum CSU-Wahlkampfabschluss auf dem Münchner Marienplatz auftritt, ist das mehr als nur Wahlkampfhilfe für die Schwesterpartei in Bayern. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende kämpft auch für sich selbst. Denn für Merkel ist die Wahl in Bayern eine entscheidende Weichenstellung. Strauchelt die CSU und verlöre sogar ihre absolute Mehrheit, würde dies auch Merkel im Jahr vor der Bundestagswahl schwächen. Sollte die CSU dagegen den Umfragen trotzen und ein «50+x»-Ergebnis erzielen, könnte die Union der Auseinandersetzung mit der neuen SPD-Spitze gelassen entgegen sehen.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann formuliert es so: «Wir werden den Erfolg in Bayern nicht nur am eigenen Zuwachs messen, sondern auch an den Verlusten, die der regierenden CSU zugefügt werden können.» Die SPD will in Bayern nicht nur aus ihrem historischen Tiefstand von nur 19,6 Prozent aus dem Jahr 2003 herauskommen, ein mögliches Ende der absoluten Herrschaft der CSU könnte vielmehr - so das Kalkül - in der Union einen offenen Richtungsstreit auslösen.

Dieser würde die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin unter Druck setzen und zugleich der Union im Wahljahr jene Negativschlagzeilen bescheren, auf die in den vergangenen Monaten die SPD abonniert war.

Bislang steht die SPD in der Öffentlichkeit ganz allein für den Bedeutungsverlust der Volksparteien, eine auf «Normalmaß gestutzte» CSU in Bayern könnte auch der Union das Pech an die Stiefel kleben, hoffen die Genossen. Was es bedeutet, ein Stammland zu verlieren, haben die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen erlebt. Dass die rote Herzkammer an das bürgerliche Lager verloren wurde, davon hat sich die Partei bis heute nicht erholt. Ein Flop in Bayern könnte nach Einschätzung der Sozialdemokraten für den Koalitionspartner ähnlich verheerende Folgen haben. Das rechte Lager der Union - von Merkels pragmatischer Politik zunehmend verunsichert - wäre endgültig heimatlos geworden.

Doch die CSU stemmt sich mit Macht gegen dieses Horrorszenario. Große Relevanz hat das Abschneiden in Bayern denn auch für die CSU-Landesgruppe in Berlin. Landesgruppenchef Peter Ramsauer hat im Landtagswahlkampf rund 60 Auftritte absolviert und setzt auf eine Aktivierung der Stammwählerschaft in der letzten Woche. «Hoppla, es wird doch ernst», das würden nun auch potenzielle CSU-Wähler erkennen und doch an die Urne gehen, so hofft er.

Die CSU-Landesgruppe agiert derzeit in Berlin als eigenständige politische Kraft, Ramsauer ist qua Amt der «Erste Stellvertreter» von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und nimmt auch an den Koalitionsausschüssen teil. Sollte die CSU ihren Nimbus als starke Festung der Union nun einbüßen, so würde sich das auswirken auf die Berliner Vertreter Bayerns. Gar nicht so sehr zum Leidwesen einiger CDU-Bundestagsabgeordneter, denen die Sonderstellung schon länger ein Dorn im Auge ist.

Eine Minderung der CSU-Macht in Bayern könnte auch Auswirkungen auf die Stimmen in der Bundesversammlung haben, die im Mai nächsten Jahres den Bundespräsidenten wählt. Allerdings muss Amtsinhaber Horst Köhler nicht um seine Mehrheit bangen. FDP und Freie Wähler in Bayern kündigten bereits an, dass sie nach ihrem Einzug in das Maximilianeum Köhlers Wiederwahl in Berlin unterstützten wollen.

Merkel sagte Anfang der Woche auf dem Unternehmertag der Unions-Fraktion, sie wolle «noch gar nicht davon träumen, wie wir die Weichen stellen könnten, wenn wir nicht einen so großen Koalitionspartner hätten, sondern einen kleinen». Für diesen Traum muss die Kanzlerin nun erstmal auf die kleine Schwesterpartei hoffen.