Katholischer Priester in Izmir niedergestochen - Vatikan verurteilt Übergriffe

Hass auf Missionare

Im westtürkischen Izmir verletzte ein 19-Jähriger beim Sonntagsgottesdienst den italienischen Geistlichen Adriano Francini mit einem Messer. Wie die türkischen Medien meldeten, wurde der Priester umgehend ins Universitätskrankenhaus eingeliefert, schwebt aber nicht in Lebensgefahr. Die Polizei nahm wenig später den Angreifer aus dem westtürkischen Balikesir fest. Über seine Motive wurde zunächst nichts bekannt.

 (DR)

Der Angriff ereignete sich beim Sonntagsgottesdienst in der Sankt-Antons-Kirche in Izmir Stadtteil Karsiyaka. Nach Meldung der Nachrichtenagentur Anadolu gehörte Francine nicht selbst zu der Gemeinde, sondern war als Besucher zur Messe gekommen.

Zeitungsberichten zufolge hatte der Festgenommene rund 15 Minuten mit Francini gesprochen und gesagt, er wolle Christ werden. Der Geistliche selbst sagte im Krankenhaus, er habe dem jungen Mann erklärt, dass er sich auf das Christentum vorbereiten und einige Bedingungen erfüllen müsse. Da habe er plötzlich ein Messer gezogen und auf ihn eingestochen. Der 19-Jährige soll seit drei Jahren regelmäßig in die Kirche gekommen und mehrfach seinen Wunsch nach der Taufe bekundet haben.

Motiv: Hass auf Missionare
Hass auf christliche Missionare soll das Motiv für den Messeranschlag auf einen katholischen Geistlichen im westtürkischen Izmir sein. Der mutmaßliche Täter habe im Polizeiverhör ausgesagt, er sei von einer Fernsehserie beeinflusst worden, in der die Tätigkeit christlicher Missionare in der Türkei thematisiert wurde, berichtete die türkische Presse am Montag.

Im Polizeiverhör gab er laut Zeitungsberichten zu Protokoll, er habe sich vor der Tat die für ihre nationalistischen Tendenzen bekannte TV-Serie "Tal der Wölfe" angeschaut, in der von Missionaren die Rede gewesen sei. Die Tageszeitung "Hürriyet"
berichtete, Francini sei auf einigen Internetseiten vorgeworfen worden, ein Missionar zu sein.

Christliche Missionarstätigkeit ist in der Türkei nicht verboten, wird aber besonders von militanten Rechtsnationalisten als staatszersetzend betrachtet. Im April erstachen fünf junge Männer im osttürkischen Malatya drei protestantische Christen, darunter einen Deutschen. Im nordtürkischen Trabzon wurde im Februar 2006 der katholische Priester Andrea Santoro von einem Jugendlichen erschossen.

Vatikan beklagt Übergriffe
Der Apostolische Vikar von Anatolien, Luigi Padovese, vermutet hinter der Tat nationalistische Motive. Es könnte sich um einen Versuch handeln, die Türkei von Europa zu entfernen, sagte der Bischof der italienischen Tageszeitung "Il Messaggero". Der Anschlag gegen den Priester sei besorgniserregend und bezeichnend für ein "tiefes allgemeines Unwohlsein".

Der Vatikan hat das Attentat auf den italienischen Priester in der Türkei aufs Schärfste verurteilt. Der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Renato Raffaele Martino, beklagte gegenüber der römischen Tageszeitung "La Repubblica" eine wachsende Zahl von Übergriffen auf Christen in dem Land.

Seitdem Rom in den vergangenen Jahren den Dialog mit dem Islam intensivierte, hätten sich Übergriffe auf Priester in der Türkei gehäuft, beklagte Martino. Die katholische Kirche werde dennoch an ihren missionarischen Aktivitäten in der Türkei festhalten, hieß es.

EU-Kommission: Heimtückische Gewalttat
Die EU-Kommission verurteilte "auf das Schärfste die heimtückische Gewalttat". Eine Kommissionssprecherin wünschte dem verletzten Ordensmann am Montag in Brüssel gute Besserung und schnellstmögliche Heilung. Der mutmaßliche Täter müsse so bald wie möglich vor Gericht gestellt und in einem rechtsstaatlichen Verfahren für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden.

Serie von Gewaltverbrechen
Der Vorfall in Izmir ist das jüngste einer ganzen Serie von Gewaltverbrechen an Christen in der Türkei in den vergangenen zwei Jahren. Im nordtürkischen Trabzon wurde im Februar 2006 der katholische Priester Andrea Santoro von einem Jugendlichen erschossen. In Istanbul wurde im Januar der armenische Journalist Hrant Dink ebenfalls von einem Jugendlichen aus Trabzon ermordet. Im April schließlich erstachen fünf junge Männer von 19 und 20 Jahren im osttürkischen Malatya drei protestantische Christen, darunter einen Deutschen.

In allen Fällen handelte es sich bei den Tätern um ultranationalistisch gesonnene Jugendliche. Im nationalistischen Milieu der Türkei werden Christen oft als Agenten des Auslands dargestellt, die es auf die Unterwanderung der Türkei abgesehen haben. Im Prozess von Malatya verdichten sich zudem Hinweise auf eine Verstrickung lokaler Behörden in die Tat.