Innenminister beauftragen Verfassungsschutz

Scientology unter Druck

Die umstrittene Scientology-Organisation gerät weiter unter Druck. Schon im Vorfeld ihres Treffens hatten einige Innenminister ein Verbot gefordert. Nun bringen sie Verfassungsschützer ins Spiel.

 (DR)

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), hat Scientology "menschenverachtende Denkrichtungen" vorgehalten. Die Innenminister von Bund und Ländern haben am Freitag auf ihrer Sitzung in Berlin beschlossen, die Verfassungsschützer mit der Observation der SO zu beauftragen. Zudem prüfen sie ein mögliches Verbotsverfahren.


Von den Verfassungsschützern wird sie als eine "profitorientierte Psychogruppe mit totalitären Strukturen und undemokratischen Zielen" angesehen.

Die Organisation ist eine Glaubensgemeinschaft aus den Vereinigten Staaten, deren Ideologie auf die Schriften des Science-Fiction-Autors Ron Hubbard (1911 - 1986) zurückgeht. Die SO ist in den USA als Kirche anerkannt, in Deutschland nicht. Der weltweit bekannteste Scientologe ist der US-Kinostar Tom Cruise.

Seit 1970 in Deutschland
Hubbard hatte Scientology 1954 in Amerika gegründet. Er legte seine Vorstellungen in dem Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" dar. Sein Credo lautet: Eine neue scientologische Zivilisation mit einer Rechtsordnung, in der die Existenz des Einzelnen "vom Ermessen der SO" abhängt. Scientology hat rund acht Millionen Mitglieder. Die Mitgliederzahl in Deutschland wird auf 6 000 geschätzt.

In der Bundesrepublik wurde die erste SO-Niederlassung 1970 gegründet. Im Januar hatte Scientology ihre große Hauptstadtrepräsentanz in Berlin-Charlottenburg eröffnet.

Die Verfassungsschützer machen darauf aufmerksam, "dass derjenige, der erst in die Fänge von Scientology geraten ist, da schwer oder überhaupt nicht mehr herauskommt". Die Organisation arbeite mit "erbarmungslosem Psychodruck und Schikanen". Die hierarchisch strukturierte Gruppierung sei mit V-Leuten nicht zu beobachten. Nach Angaben des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) verfügt Scientology über einen eigenen Geheimdienst "OSA" ( Office of Special Affairs), der sich "nicht an Recht und Gesetz gebunden sieht".

"Anbiederung und starke Einflussnahme"
Als "sehr gefährlich" werden von den Verfassungsschützern die "Anbiederung und starke Einflussnahme" von Scientology auf die Jugend in Deutschland bezeichnet. Die SO preist in diesem Zusammenhang ihren Gründer Hubbard als "Universalgenie auf fast allen Wissensgebieten". Er habe seine Methodik als "Patentrezept für alle Lebensbereiche" entwickelt, so auch zur Unterrichtung der Schüler. Erst jüngst hat Scientology Aufsehen erregt, weil sie ihre Einrichtungen für Nachhilfeunterricht für Schüler im ganzen Bundesgebiet erheblich erweitert hat. Bundesweit gibt es über 30 Nachhilfeschulen von der Organisation. Sie versuche damit immer mehr Einfluss auf die deutsche Jugend zu erlangen, "um sie ins eigene Boot zu ziehen", unterstrichen Verfassungsschützer.

Der Sekten-Experte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow, erregte den Zorn der Scientologen, als er den Hollywood-Schauspieler Cruise, der in Berlin den Film über den Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg drehte, als "Goebbels von Scientology" bezeichnete.