Kolumne: Sekten-Pfarrer zur PR-Strategie Scientologys

Auf Schleichwegen in die Öffentlichkeit

Pfarrer Thomas Gandow, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche, gilt als einer der eifrigsten Kritiker Scientologys. Bereits vor wenigen Wochen sprach er sich im domradio für ein Verbot der Sekte aus. Nun legt er nach. Und spricht über die PR-Strategie Scientologys - und die ersten Erfolge des neuen "Hollywood-Glaubens" in Deutschland.

 (DR)

"Mit der Eröffnung einer Haupstadt-Zentrale in Berlin Anfang des Jahres erklärte die Scientology-Organisation ihren Willen, "Zufahrtsstraßen in das deutsche Parlament" zu bauen. Das ist ein langer Weg.

In diesem Sommer haben es die scientologischen PR-Macher immerhin schon geschafft, Schleichwege in die deutsche Presselandschaft anzulegen. Es gab kaum eine Zeitung, deren Feuilleton nicht Positives daran fand, dass der Chef-Propagandist von Scientology, Tom Cruise, sich die Film-Rolle des deutschen Gewissenstäters Graf Stauffenberg gesichert hat.

"Positioning" nennt Scientology es, wenn ihre Funktionäre es schaffen, gutes Image abzusaugen. Mit "Kunstfreiheit" oder gar "Glaubensfreiheit" wurde dieser PR-Coup in den Feuilletons verteidigt.

Wie mit der Dampfwalze wurden kritische Einwände und Fragen weggebügelt: Als Privatangelegenheit verniedlicht wurde der erklärte politische und propagandistische Einsatz des Hollywood-Schauspielers für die "totale Vernichtung" der Psychiatrie. Umgekehrt wurde die schlichte Verweigerung einer Drehgenehmigung in der Reichstagskuppel für die Räuberpistole "Mission Impossible" vor Jahren nun zur "Ersten Vertreibung von Cruise aus Berlin" hochdramatisiert.

Naiv gaben Feuilletonchefs die Schutzbehauptung der Organisation weiter, Religion zu sein. Dabei hat die Selbstdarstellung als Religion, wie aus den bekannten internen Anweisungen hervorgeht, nur den Zweck, die Öffentlichkeit über den wahren Charakter der totalitären Organisation zu täuschen - und Steuern zu sparen. Sorgfaltspflicht hätte das Studium der Quellen vor solchen Unbedenklichkeitserklärungen vorausgesetzt.

Die in den USA auch als "Hass-Gruppe" bezeichnete Scientology Organisation erhebt den Anspruch auf Gestaltung aller Lebensvollzüge ihrer Anhänger. Schließlich soll aber die ganze Gesellschaft scientologisch werden. Eine Hauptaufgabe der Scientologen ist es daher, sämtliche "Gegenabsichten zu entfernen. Ist das erreicht, wird das Ziel - Fremdabsichten zu entfernen".

Zu den proklamierten Zielen von Scientology gehört auch die völlige Vernichtung ("total obliteration") aller Gegner, die als "Unterdrücker" ("supressive persons") und "antisoziale Personen" bezeichnet werden. Dazu rechnet Scientology 2,5 Prozent der Bevölkerung. Solche Zielsetzungen wären eigentlich Grund genug, sich auch in der Presse sorgfältig und gründlich mit den tatsächlichen Absichten der Organisation und ihrer Vertreter auseinanderzusetzen.

Gegen ein Verbot der Organisation in Deutschland wird eingewandt, es fehle der Nachweis, dass Scientology seine verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv zu verwirklichen versucht. Artikel 9 des Grundgesetzes statuiert aber neben dem Verbot von gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Vereinigungen auch das Verbot von Vereinigungen, "deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen". Glaubwürdige Vorwürfe über Betrug, Nötigung, Wucher und ständige Verstöße gegen das Heilpraktikergesetz verlangen es, wenigstens das Verbot einzelner Betätigungsfelder der Scientology-Organisation zu prüfen.

Betroffene befürchten, bei Verlassen der Organisation mit dem Inhalt ihrer bei den Psychoverhören ("Auditing") angelegten "Fallakten" konfrontiert zu  werden. Die berechtigte Angst vor Erpressung mit den Befragungsprotokollen gebietet es, der Datensammelwut der Organisation staatliche Grenzen zu setzen. Betroffene müssen endlich das Recht auf Aushändigung ihrer "Fallakten" und auf Löschung ihrer Daten erhalten.

Prominente Edelzeugen wie Schauspieler, Oscar-Preisträger und Feuilleton Chefs hin oder her: Political Correctness durch Diskussionsverbot ist das letzte, was wir in Deutschland brauchen können."

(Thomas Gandow, 60, ist Pfarrer und Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz)