Kanzlerin besucht evangelischen Kirchentag und zieht positive G8-Bilanz

Merkel plädiert für verantwortungsvolles Wachstum

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Samstag den evangelischen Kirchentag in Köln besucht. Dabei plädierte sie für ein verantwortungsvolles Wirtschaftswachstum. Globalisierung könne nur gelingen, wenn es Sozial- und Umweltstandards gebe, sagte sie in einer Diskussion mit Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus aus Bangladesch über die Gestaltung der Weltwirtschaft. Die Kanzlerin sprach sich für fairen Handel aus, damit die ärmsten Länder eine Chance hätten.

 (DR)

Merkel will nach dem G-8-Gipfel im Engagement für eine faire Weltwirtschaft nicht nachlassen. Heiligendamm sei "ein guter Schritt, nicht mehr und nicht weniger. Wir müssen weiter daran arbeiten", sagte sie am Samstag beim evangelischen Kirchentag in Köln. Sie zog zugleich eine verhaltene Gipfel-Bilanz. Er stelle "einen Schritt von vielen" dar. Die Zeit großer Versprechen sei vorbei. Nun gehe es um konkrete Maßnahmen. Merkel: "Wir müssen aufhören so zu tun, als gebe es Erlösungsereignisse in diesem Prozess".

Die Kanzlerin kündigte an, Nichtregierungsorganisationen stärker in die deutsche Entwicklungspolitik einzubeziehen. Gemeinsam mit den Regierungen der armen Länder müsse überprüft werden, ob die Entwicklungshilfe an der richtigen Stelle ankomme. "Das ist mindestens so wichtig wie die Frage, wie viel Geld gegeben wird", so Merkel. Hilfsorganisationen hatten nach Ende des Gipfels am Freitag kritisiert, dass die G-8 zu wenig zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen wollten.

Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus mahnte bei der Kirchentagsveranstaltung, dass die Hälfte der Zeit für die Millenniumsziele im Kampf gegen Armut und Hunger vorbei sei. Auch der Generalsekretär der Gesamtkonferenz der afrikanischen Kirchen, Mvume Dandala, forderte von Merkel "klare Zeitpläne und echte Schritte" im Einsatz für Afrika. Die Probleme der Welt dürften nicht länger in einem "exklusiven" Zirkel wie dem Gipfel gelöst werden. Die Armen müssten einbezogen werden. Der Geistliche prangerte eine "Stigmatisierung" Afrikas an. "Der Kontinent besteht nicht nur aus Korruption und Krankheit."

Die Bundeskanzlerin äußerte die Hoffnung, das von Yunus erfundene System der Kleinstkredite auch in Afrika einführen zu können. Dabei müsse man aber geduldig sein. "Wir schaffen jetzt die Grundlagen, müssen es aber auch an die Mentalität dort anpassen." Merkel forderte zugleich die Regierungen afrikanischer Länder auf, daran zu arbeiten, ihre Versprechen einzuhalten. "Wir brauchen zum Beispiel funktionierende Gesundheitssysteme."

Merkel versprach zudem, sich künftig für faire Handelsbedingungen sowie soziale und ökologische Mindeststandards einzusetzen. Ohne diese hätten die ärmsten Länder "keine Chance für ihre Produkte". Wohlstand entstehe durch Wirtschaftswachstum. Doch dieses dürfe kein "Selbstzweck" sein. Es mache nur Sinn, "wenn wir Verantwortung für alle auf der Welt übernehmen". Die rund 3.000 Kirchentagsteilnehmer im Saal hatten Merkel mit herzlichem Applaus empfangen. Bei einer Abstimmung zeigten sich die meisten jedoch vom Gipfel enttäuscht. Gegen Ende wurde die Veranstaltung kurz von singenden Protesten unterbrochen.