Forscher für Neuregelung - Kirche mahnt Lebensschutz

Stammzellen-Debatte im Bundestag

Der Umgang mit embryonalen Stammzellen in Forschung und Medizin war am Mittwoch Thema einer Anhörung im Bundestag. Wissenschaftler sprachen sie dabei für eine Liberalisierung des deutschen Stammzellgesetzes aus. Gegen eine Novellierung wandten sich Ethiker, Juristen und die Bischofskonferenz. KNA-Redakteur Christoph Strack hat fürs domradio die Debatte verfolgt. - Zuvor hatte Bundesforschungsministerin Schavan die Rolle der Kirchen bei der Debatte gelobt.

 (DR)

Stichtag: Forschung an Stammzellen vor 2002 erlaubt
Bei der Anhörung am Mittwoch bewerteten 24 Forscher, Mediziner, Juristen und Ethiker das 2001 vom Parlament nach langen Diskussionen verabschiedete Stammzellgesetz. Derzeit ist Forschung, bei der menschliche Embryonen zerstört werden, in Deutschland generell verboten. Nach dem Stammzellgesetz dürfen Forscher jedoch in engen Grenzen Zellen verwenden, die vor 2002 im Ausland entstanden sind. Zudem gibt es eine Strafandrohung gegen Wissenschaftler, die sich im Ausland an Projekten beteiligen, die im Inland verboten sind.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sprach sich erneut dafür aus, die Stichtagsregelung aufzuheben, die Strafandrohung für Wissenschaftler zu streichen und die Einfuhr von embryonalen Stammzellen auch für therapeutische oder diagnostische Anwendungen zu ermöglichen. DFG-Vizepräsident Jörg Hinrich Hacker betonte, es gehe nicht um Änderungen am Embryonenschutzgesetz. Die DFG befürworte auch nicht das so genannte Forschungsklonen oder das reproduktive Klonen. Für weitere Forschungen an adulten Stammzellen benötige man jedoch Erkenntnisse aus der embryonalen Forschung.

Unterstützung erhielt Hacker vom Medizinrechtler Jochen Taupitz, der auch dem Nationalen Ethikrat angehört. Auch der Bonner Verfassungsrechtler Matthias Herdegen plädierte für eine Gesetzesänderung. Er sprach sich dafür aus, die Stichtagsregelung durch eine Zulässigkeitsvoraussetzung zu ersetzen. Dabei soll die Einfuhr und Verwendung von embryonalen Stammzelllinien davon abhängig sein, ob die Zellen bereits zum Zeitpunkt des Genehmigungsantrags im Ausland bestanden und deren Herstellung nicht in strafbarer Weise veranlasst worden ist. Herdegen befürwortete ebenfalls, dass Stammzellen künftig auch zu therapeutischen Zwecken eingeführt werden dürfen. Bislang ist dies nur für Forschungszwecke erlaubt.

"Einmalige Verschiebung reicht nicht"
Den Kompromissvorschlag des evangelischen Bischofs Wolfgang Huber, den Stichtag einmalig zu verschieben, bewerteten die Wissenschaftler kritisch. Der Münsteraner Molekularbiologe Hans Schöler kritisierte, dass bei Einführung eines neuen Stichtags zukünftige Stammzelllinien wieder herausfielen.

Der Kitzinger Jurist Rainer Beckmann sagte dagegen, eine Änderung des Stammzellgesetzes sei aus rechtlicher Sicht nicht notwendig. Dem stimmte die Frankfurter Moraltheologin Hille Haker zu. Moralischer Schutz stehe vor der von Wissenschaftlern geforderten Wettbewerbsfähigkeit, mahnte sie. Die Soziologin Therese Neuer-Miebach, Mitglied des Nationalen Ethikrates, plädierte dafür, vor einer Neuregelung von Forschergruppen eine Bestandsaufnahme über die Notwendigkeit neuer Stammzelllinien einzufordern.

Katholische Kirche gegen embryonale Stammzellforschung
Die katholische Kirche in Deutschland votiert eindringlich gegen eine Liberalisierung des Stammzellgesetzes. Forschungen mit menschlichen embryonalen Stammzellen setze die Vernichtung embryonaler Menschen voraus und erweise sich deshalb als inakzeptabel, erklärte der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, am Mittwoch in Bonn. "Man darf nicht den Lebensschutz der Forschungsfreiheit unterordnen", so Langendörfer. Er äußerte sich anlässlich einer Bundestags-Anhörung zum Thema Stammzellforschung.

Eine Therapie für bisher unheilbare Erkrankungen kann laut Bischofskonferenz-Sekretär nicht losgelöst gesehen werden von den Methoden, mit denen sie erreicht werden solle. Die Förderung selbst hochrangiger Forschungsinteressen dürfe keinesfalls dazu führen, dass embryonale Menschen verzweckt und wie ein Rohstofflager angesehen werden. Die Förderung alternativer ethisch unbedenklicher Forschungsmethoden wie die an adulten Stammzellen sei noch längst nicht ausgeschöpft und sollte verstärkt werden.

Nach den Worten Langendörfers sind Embryonen in Reagenzgläsern in besonderer Weise den Einfluss- und Missbrauchsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt. Dem Embryo komme aber Lebensrecht und uneingeschränkter Lebensschutz vom Zeitpunkt der Befruchtung an zu. Jede andere Vorgabe, die etwa den Lebensbeginn zu einem späteren Zeitpunkt ansetze oder dem frühen Embryo Lebensschutz nur in abgestufter Weise zugestehe, stoße unter ethischem Gesichtspunkt auf grundlegende Bedenken.