Bischofskonferenz distanziert sich von Ghetto-Äußerungen

Deutsche Oberhirten Antisemiten?

Die Deutsche Bischofskonferenz ist auf Distanz zu Bemerkungen einzelner katholischer Bischöfe während ihrer Heilig-Land-Reise gegangen. Zugleich wies sie den Vorwurf zurück, die Bischöfe hätten sich zum Nahost-Konflikt einseitig und demagogisch geäußert. Beim Besuch in Bethlehem am Samstag seien aus emotionaler Betroffenheit heraus "einige wenige sehr persönliche Bemerkungen" gefallen, die bereits "selbstkritisch richtig gestellt" worden seien, erklärte Bischofskonferenz-Sekretär Pater Hans Langendörfer am Dienstag in Bonn. Dies gelte vor allem für eine Nebenbemerkung, die auf das Warschauer Ghetto angespielt habe.

 (DR)

Auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke rückte von seinen Äußerungen ab. Vergleiche zwischen dem Holocaust und der aktuellen Situation in Palästina seien "nicht annehmbar und waren auch nicht beabsichtigt", erklärte er.

Israels Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, hatte den Bischöfen zuvor Demagogie vorgeworfen. Der Diplomat erklärte in
Berlin: "Wenn man Begriffe wie 'Warschauer Ghetto' oder 'Rassismus' im Zusammenhang mit der israelischen beziehungsweise palästinensischen Politik benutzt, dann hat man alles vergessen oder nichts gelernt oder moralisch versagt." Man dürfe nicht eine Seite des Konflikts dämonisieren oder doppelte Maßstäbe anlegen.

"Lehmanns Worte überzeugten"
Auch die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, nannte die Äußerungen "völlig inakzeptabel". Sie seien besonders enttäuschend, da die Reise der Bischöfe "die Erwartungen eigentlich deutlich positiv übertroffen hatte", heißt es in einer Stellungnahme. Ausdrücklich hob Knobloch die Rede von Kardinal Karl Lehmann in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem hervor. Lehmanns Worte überzeugten und seien Ausdruck eines wachsenden Verständnisses und Vertrauens zwischen Juden und Katholiken. "Ich kann nicht glauben, dass dies alles wieder in Frage gestellt wird", meinte Knobloch.

Die deutschen Bischöfe hatten am Freitag und Samstag Ramallah und Bethlehem besucht. Wegen der Sperranlagen, des Mauerverlaufs auf palästinensischem Gebiet, der Straßensperren zwischen palästinensischen Orten und wegen des Siedlungsbaus übten sie Kritik am israelischen Vorgehen. Unter anderem sprach Hanke vom "Ghetto in Ramallah" und der Augsburger Bischof Walter Mixa von einer "ghettoartigen Situation".

Langendörfer bedauerte den "Missklang", der sich in die Reise eingeschlichen habe. In allen Ansprachen, bei den Begegnungen mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Schimon Peres und dem dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, habe der Konferenz-Vorsitzende Lehmann "das von bestimmten Seiten immer noch in Frage gestellte Existenzrecht des Staates Israels nachdrücklich unterstrichen und auf die Bedrohung seiner Einwohner durch den Terrorismus hingewiesen". Der positive Impuls, den die Bischöfe mit ihrer Visite auf beiden Seite gesetzt hätten, sollte nicht in Frage gestellt werden, so Langendörfer.

"Unerträglich und kontraproduktiv"
Auch der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann, übte scharfe Kritik. Die Bischofsäußerungen hätten "antisemitischen Charakter", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch). Der frühere Botschafter Israels in Deutschland, Avi Primor, nannte in derselben Zeitung die Vergleiche zwischen NS-Zeit und der aktuellen Lage in Nahost "unerträglich" und "kontraproduktiv".

Zugleich äußerte er Verständnis dafür, dass das "Elend der Palästinenser" Menschen aufwühle. Israel für seine Besatzungs- und Siedlungspolitik zu kritisieren, sei gerechtfertigt und notwendig.

Der Leiter von Jad Vaschem, Avner Schalev, äußerte sich in einem Brief an Lehmann erschüttert. Er lobte das Mitgefühl und Verständnis, das die Bischöfe während ihres Besuches in der Gedenkstätte geäußert hatten, sei aber umso erschrockener über einige Äußerungen "zum Holocaust und der politischen Lage in der Region". Wörtlich heißt es: "Die Anmerkungen illustrieren eine böswillige Ignorierung der Geschichte und verfälschen den Sinn für Perspektive." Israels Aktionen hätten keinerlei Ähnlichkeit mit denen der Nazis.