Sozialbischof fordert "Dritten Arbeitsmarkt" und sieht Paradigmenwechsel

Nach Hartz IV jetzt Marx I?

Für die Etablierung eines so genannten Dritten Arbeitsmarktes plädiert der Trierer Bischof Reinhard Marx. Hier müssten für die, die auf Dauer im ersten Arbeitsmarkt keine Chancen hätten, unbefristete und solide finanzierte Arbeitsplätze geschaffen werden, sagte Marx bei der Vorstellung eines Papiers der "Aktion Arbeit" am Dienstag vor Journalisten in Trier.

 (DR)

Nach Einschätzung von Marx, der in der Bischofskonferenz der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen vorsteht, bietet die Entspannung am Arbeitsmarkt die Chance, sich auf diejenigen zu konzentrieren, an denen diese Entwicklung vorbei geht und die "als Modernisierungsverlierer im Abseits stehen".

Die bisherige Arbeitsmarktpolitik habe sich darauf konzentriert, Arbeitslose für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen, so Marx. So lange es dort nicht genügend Arbeit gebe, sei diese Politik zum Scheitern verurteilt. Der Bischof begrüßte Initiativen der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit für einen öffentlich gestützten "Dritten Arbeitsmarkt". Hier gebe es offensichtlich einen Paradigmenwechsel. Bislang sei geplant, 100.000 neue Arbeitsplätze in dem Bereich zu schaffen. Diese Zahl müsse steigen und am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden.

Gemeinnützige und zusätzliche Beschäftigungsmodelle
Dabei sollten unterschiedliche Modelle erprobt werden. Als Beispiele nennt das Papier Beschäftigungsträger, die gemeinnützige und zusätzliche Beschäftigungsmodelle organisieren, Integrationsbetriebe, die am Markt operieren und einen Mindestleistungsausgleich erhalten, sowie Wirtschaftsbetriebe, die über Kombilohn-Modelle unterstützt werden.

Laut Marx rechnen sich die Modelle. So erwirtschafteten Integrationsbetriebe in der Regel 70 Prozent ihrer Personalkosten am Markt, die restlichen 30 Prozent zahle die öffentliche Hand als Minderleistungsausgleich. Übertrage man dieses Modell auf den "Dritten Arbeitsmarkt", werde im Durchschnitt ein Arbeitsplatz mit 600 bis 800 Euro monatlich bezuschusst. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass ein Teil dieser Zuschüsse wieder in die Sozialversicherung zurückfließe und volkswirtschaftliche Werte geschaffen würden. Dies sei "allemal preiswerter als die Finanzierung der Arbeitslosigkeit".

Diskussion um Subventionen Scheinargumentation
Als Scheinargumentation bezeichnete der Bischöfliche Beauftragte der "Aktion Arbeit", Hans Casel, die Diskussion, ob der Staat Arbeitsplätze subventionieren solle. Die regelmäßig veröffentlichten Subventionsberichte des Bundesfinanzministeriums zeigten, dass es kaum einen Bereich gebe, der nicht durch direkte oder indirekte Zuwendungen, Steuererleichterungen oder sonstige finanziellen Vorteile unterstützt werde. Der Bedarf für den "Dritten Arbeitsmarkt" betrage nur einen Bruchteil dessen, was allein die Kern-Branchen der Wirtschaft erhielten. Allein mit den
2006 bei der Bundesagentur für Arbeit nicht abgerufenen Mitteln für Aktivierungsprogramme könnten rein rechnerisch viele Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen werden.

Entscheidendes Kriterium für das politische Handeln darf nach Ansicht von Marx nicht allein der wirtschaftliche Erfolg sein.
Vielmehr müsse das Wohl der Menschen im Mittelpunkt stehen. Der Mensch sei Urheber, Mittelpunkt und Ziel der Wirtschaft. Deshalb habe Arbeit Vorrang vor Kapital. Der Mensch brauche Arbeit, um seine Anlagen und sein Streben nach Weltgestaltung entfalten zu können. Der Bischof bezeichnete es als "Pflicht einer humanen Gesellschaft, alles zu tun, damit genügend Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden". - Die "Aktion Arbeit" im Bistum Trier ist ein Solidaritätsfond, der seit mehr als 20 Jahren Benachteiligte unterstützt und von katholischen Verbänden getragen wird. Zurzeit werden rund 40 Projekte gefördert.