Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Wenn uns unsere Vorurteile reinlegen

Gestern hatte ich am frühen morgen einen Termin in unserer Hausarztpraxis. Ich habe mich angemeldet und wurde in einen Flur um die Ecke gebeten, noch bitte Platz zu nehmen, da die Ärztin noch nicht da sei. 

Dann kam ein älterer Herr dazu in Jogginganzug, Dreitagebart, Hörgerät und großer, sehr alter Brille und langen schwarzen Fingernägeln. Nicht jemand, mit dem man schnell in Kontakt kommen möchte. Ihm ging es wohl mit mir genauso und er hat mich von Kopf bis Fuß gemustert und wir haben gefühlt eine Minute geschwiegen und haben dann das Gespräch begonnen. Und sehr schnell ging es über das Warten auf die verspätete Ärztin, das schmuddelige Wetter, dass dann aber ja bald Ostern ist und das man die Hoffnung nicht aufgeben sollte, dass alles zum Guten sich wenden wird. 

Und verblüfft haben wir beide festgestellt, dass wir ähnlich denken und eine gemeinsame Hoffnung haben auf einen Gott, der unsere Armut, Krankheit und Schwachheit sieht und trotzdem bei uns und mit uns bleibt. Und dann werde ich ins Sprechzimmer gebeten und der alte Herr bedankt sich für das Gespräch und ich kann nicht anders als "Danke gleichfalls" sagen. 

Die Ärztin hat sich entschuldigt, für ihre Verspätung, weil sie noch ihre Kinder in den Kindergarten gebracht hat. 

Auf dem Heimweg habe ich mich ein bisschen geschämt, weil mich das ungepflegte Äußere des alten Herrn zunächst abgestoßen hat, aber das anschließende Gespräch so intensiv und gut war, dass ich Zeit überhaupt nicht mehr registriert habe.
Es passiert ja nicht so selten, dass wir vom Äußeren eines Menschen auf sein Inneres schließen und unsere Vorurteile die Oberhand gewinnen. 

In den Liedern vom Gottesknecht im Buch Jesaja klingt schon an, was später auf Jesus gedeutet und erfüllt werden wird: 

Mein Knecht, der gerechte, macht die Vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich. Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen und mit den Mächtigen teilt er die Beute, weil er sein Leben dem Tod preisgab und sich unter die Verbrecher rechnen ließ. Denn er trug die Sünden von vielen und trat für die Schuldigen ein.

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