Morgenimpuls mit Schwester Katharina

"Warum ich in der Kirche bleibe!"

Nachdem der Jesuit Klaus Mertes im Jahr 2010 den systematischen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen am Canisius-Kolleg in Berlin aufgedeckt hat, ist endlich eine Lawine losgetreten worden. Eine Lawine von Tätern und Taten und Opfern innerhalb der Kirche. Aber eben auch die riesige Wand von wegsehen, vertuschen, nicht wahrhaben wollen, ausgrenzen, schweigen.

Und im Laufe der Jahre ist immer deutlicher geworden: Ohne eine grundlegende Veränderung des Systems Kirche, vor allem ihrer seit Langem nicht mehr vermittelbaren Sexualmoral, wird es keine Aufarbeitung des riesigen Komplexes Missbrauch geben können. Auf diesem Hintergrund wurde der Synodale Weg ins Leben gerufen: Christinnen und Christen, Ordensleute und alle deutschen Bischöfe haben sich auf den Weg gemacht, um systematische Veränderungen möglich zu machen, damit Missbrauch jeglicher Art offengelegt und bekämpft wird und Strukturen so verändert werden, dass der Sumpf trockengelegt wird, in dem das jahrhundertelang möglich war.

Und dann, in der gerade begonnenen vierten Synodalversammlung der unglaubliche Eklat: Das genau wegen dieses Themas wichtigste Papier zu "Leben in gelingenden Beziehungen", über das zwei Jahre lang beraten und gearbeitet worden war, bekommt zwar mehr als 82 Prozent Ja-Stimmen aller Delegierten, aber nicht die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe. Ein paar Stimmen fehlten. Ratlosigkeit und Wut und Verärgerung und Trauer und Verletzungen auf allen Seiten. Was nun?
Mir geht es so, wenn ich keinen Rat mehr weiß und keine Idee habe, dann schaue ich mir den Text aus der Heiligen Schrift an, der mir zur entsprechenden Tagzeit vorgelegt wird.

Der heutige Text zum Morgengebet ist aus dem Buch Judith und da heißt es:
"Lasst uns dem Herrn, unserem Gott, danken, dass er uns ebenso prüft wie schon unsere Väter. Denkt daran, was er mit Abraham machte, wie er Isaak prüfte und was Jakob im syrischen Mesopotamien erlebte, als er die Schafe Labans, des Bruders seiner Mutter, hütete. Denn wie er diese Männer im Feuer geläutert hat, um ihr Herz zu prüfen, so hat er auch mit uns kein Strafgericht vor, sondern der Herr züchtigt seine Freunde, um sie zur Einsicht zu führen."

Im Gespräch bleiben, keine Brücken abbrechen und mit dem Glauben in das helfende Wort Gottes nach Lösungen suchen. So kann es vielleicht noch gelingen, das zerstörte Vertrauen neu aufzubauen und neue Wege zueinander zu suchen.

Und: Ja – ich bleibe in der Kirche. Wenn lebensnotwendige Veränderungen mit den Bischöfen nicht möglich sind, müssen wir, also alle anderen Getauften bleiben, um die Kirche zu erneuern.

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