Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Maria, nur lieb und demütig?

Der Monat Mai ist seit jeher der Gottesmutter Maria geweiht. Weil man diese junge Frau mit Schönheit und Reinheit assoziiert, ist das sehr gut nach zu vollziehen. Der Mai mit dem aufbrechenden Grün und der vollen Blütenpracht der Bäume, Sträucher und Blumen, mit der beginnenden wärmeren Jahreszeit und den sonnigeren Tagen, ist für viele Menschen, nach dem dunklen kalten Winter der Inbegriff von schön, neu und erlösend.
Als Kind habe ich noch Maiandachten an jedem Abend in der Kirche und den immer schön geschmückten Maialtar im Kinderzimmer erlebt. Die Marienlieder waren schön und gefühlvoll und romantisch und die Texte und Gebete für alle Not- und  Erfreuungslagen der Menschen geeignet.
Irgendwann still und leise, aber immer stetiger, kamen immer weniger Menschen zu diesen Andachten und in den letzten Jahren, fielen sie in den meisten Orten deshalb aus.

Warum?

Ich denke, dass viele Gläubige gespürt haben, dass es nicht mehr passt: das Gefühlvolle und Romantische, dass Fürsprechende- und Mittlerinseiende der Gottesmutter. Diese Art der Frömmigkeit ist zu einer Zeit entstanden, wo sich kaum jemand gewagt hat, sich mit seinen Sorgen, Freuden und Nöten direkt an Gott zu wenden und stattdessen einen Mittler und Fürsprecher brauchte.

Aber es gibt auch die andere Seite: was hat diese Form der Verehrung mit dem Bild der Gottesmutter gemacht? War sie tatsächlich nur lieb, freundlich, betend, demütig, untergeordnet, das bestehende Herrschaftssystem zementierend?

Aus den Berichten in der Bibel ergibt sich ein ganz anderes Bild von Maria: eine starke junge Frau, die sich traut, Gottes Pläne anzufragen, zu klären und dann mit zu tragen. Eine Frau die es wagt zu sagen, dass dieser Gott die Mächtigen vom Thron stürzen wird und die Niedrigen erhöhen wird, von Generation zu Generation, die leidenschaftlich, stolz, hingerissen und begeistert von Gottes Taten berichtet.

Eine Frau, die durch alle Höhen und Tiefen eines menschlichen Lebens gegangen ist und trotzdem unbeirrbar an ihrem Gott festgehalten hat, auch wenn gerade sie alles anders erlebt hat, als sie sich hätte träumen lassen.

Ich finde, je mehr ich dieses Bild dieser Frau vor mir habe, desto mehr kann ich mit ihr vor Gott treten und quasi an ihrer Hand meinen Weg der Nachfolge ihres Sohnes gehen.

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