Vorgestern kam am frühen Morgen einer unserer Laudes-Mitbeter zur Haustür herein und meinte strahlend: Es ist etwas Maikühl heute. Wieviel Grad sind es denn? war meine Frage zurück. Nun, es sind Minus 13 Grad und es ist herrlich draußen, seine Antwort. Ja genau, es ist sehr unterschiedlich, wie wir Dinge wahrnehmen oder damit umgehen.
Wie zum Beispiel unsere indische Mitschwester. Sie ist in der Ausbildung zur Krankenschwester. Die Schule ist mit dem Bus nur knapp 10 Minuten entfernt im nächsten Dorf. Aber der Bus ist am Nachmittag nach Schulschluss nicht gefahren wegen Schnee, Eis, Kälte, Personalmangel oder was auch immer. Unsere Schwester und noch weitere Schülerinnen, die nach Olpe zurück wollten, sind also gelaufen. "We made a rosaryprocession", war ihr trockener Kommentar. Also wir haben eine Rosenkranzprozession gemacht. Ganz einfach eben. Wenn kein Bus fährt, läuft man bei minus 6 Grad, auch wenn man indische Temperaturen um plus 30 Grad eher gewohnt ist. Und man betet den Rosenkranz dabei. Ganz einfach. Und dann habe ich ihr erzählt, dass ich vor meinem Eintritt immer zu meinem Krankenhaus die drei Kilometer bergauf und nach der Schicht bergab gelaufen bin und unterwegs den Rosenkranz gebetet habe.
Ein bisschen habe ich mich ertappt gefühlt, weil ich das schon lange nicht mehr tue – das Laufen zu einem Termin oder ins Mutterhaus und dabei den Rosenkranz beten. Ich fahre mit dem Auto, weil es objektiv schneller geht. Und subjektiv? Oder spirituell? Daran hindert uns, glaube ich, schon unser rationell gewordenes Leben und Denken. Aber Spiritualität bedeutet, dass alles, was ich im Alltag tue, geprägt ist von meinem Glauben. Beten ist immer – pflegte eine meiner alten Mitschwestern zu sagen – ob Putzen, ob Kochen, im Dienst im Büro, bei allem. Weil wir es nicht trennen sollten – weil Leib und Seele eins ist und erst durch unser Tun und Lassen deutlich wird, ob ich an einen guten und menschenliebenden Gott glaube.
Und dann kann minus 13 Grad wunderbar Maikühl sein und ein paar Kilometer nach Hause laufen eine gut genutzte Möglichkeit, zusammen zu beten und sich warmzulaufen und das sonnige Traumwetter dabei zu genießen.